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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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sie auf einer dieser Gesundheitsbänke. Hat wohl ’n schlimmen Rücken – typische Copkrankheit. Morales ist eine stämmige Frau mit rundem Gesicht, schmalen Lippen und ernsten blauen Augen. Auf den ersten Blick wirkt sie kompetent und freundlich. Doch wer so lange im Job ist, ist unter Garantie hart wie Titanstahl. Ob ich ihr trauen kann? Wird sich bald zeigen.
    »Ab sofort stehen Sie auf der Bereitschaftsliste, Donovan.« Sie mustert mich nachdenklich. »Ich will das nicht bereuen müssen, ist das klar?«
    Klar. Ich hätte ihr auf der Stelle alles versprochen, nur damit ich vom Innendienst wegkomme. Den Kopfdoktor erwähnt sie mit keiner Silbe, dieser Lieutenant hat Stil.
    Aber sie ist noch nicht fertig. Sie hat meine Akte auf dem Screen und liest mir einige Abschnitte laut vor. »Sie haben mit DelMonico gearbeitet. Hier steht, Ihr Partner ist im Einsatz verschwunden?« Ich nicke vage. Sie liest weiter. »Sie haben noch keinen neuen Partner beantragt. Ist es für Sie ein Problem, mit einem anderen Agent zusammenzuarbeiten, Donovan?«
    »Nein, nur mit Verrätern«, sage ich leise.
    Sie sieht mich stirnrunzelnd an. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich muss meinem Partner mein Leben anvertrauen können und er mir. Ich dachte, zwischen DelMonico und mir würde es so laufen …« Da sind sie schon wieder, verdammt. Immer wieder kommen sie, diese Gedanken, diese Erinnerungen an Del, an ihren Verrat. Schon tausendmal bin ich zu dieser Mambo-Bar gegangen, schon tausendmal habe ich ihre letzten Worte wiederholt, höre immer noch ihr Lachen. Vorstellen kann ich mir ’ne Menge, Donovan.
    Morales ignoriert meine Ausführungen. »Hier steht auch, Sie haben Probleme, sich Autorität unterzuordnen …«
    »Wer behauptet das?«
    »Ihr Ausbilder, Reardon.«
    »Ha!« Ich erinnere mich noch gut an die Standpauke, die er mir damals hielt, als ich bei einem dieser kleinen Psychospielchen keinen Teamgeist gezeigt hatte. Die Mitglieder meines Teams beließen es nicht bei Worten. Eines Nachts kamen sie, um mir eine Lektion zu erteilen. Sie zerrten mich von meiner Pritsche und prügelten so lange auf mich ein, bis ich bewusstlos war. Ich gab keinen Laut von mir, aber ich prägte mir jedes einzelne Gesicht ein. Bis zum Ende meines Trainings hatte ich sie mir nacheinander vorgenommen. Reardon wusste genau, was in dem Schlafsaal ablief. Aber das war wohl auch Teil meiner Ausbildung. Weniger als zehn Prozent schaffen das Trainingscamp, von denen schafft drei Viertel die DWNTN. Noch gehöre ich zum letzten Viertel und das soll so bleiben. Das sage ich auch Morales. Die mich mit hochgezogenen Brauen mustert. Wird sie mich zurück zum Kopfdoktor schicken?
    »Nun gut, sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie so weit sind.«
    »Danke, Lieutenant«, murmle ich und bin schon draußen.

    Zwei Wochen später: immer noch Bereitschaft. Allmählich wird es unheimlich, ist einfach zu still auf den Straßen. In der Zentrale sind sie alle ganz kribbelig. Sogar Chan hat sich von der unterschwelligen Spannung anstecken lassen.
    Mit Chan ist das Arbeiten einfacher als mit Del. Vielleicht liegt es daran, dass er mein Spürhund ist und nicht mein Partner. Vielleicht daran, dass ich jetzt nicht mehr so unerfahren bin. Chan würde lachen, wenn er es wüsste. Seit dem Vorfall in der Roten Pagode ist er der Meinung, dass ich ohne ihn nicht einen Tag auf den Straßen überleben würde. Ich lass ihm die Illusion.
    Heute ist wieder so ein Tag. Wer klug ist, bleibt den Straßen fern. Wer Spaß will, geht zur Arena. In wenigen Stunden spielen die Fortune Cookies gegen die Flying Burritos um den Championscup. Die Wetten sind hoch, und die Stadt kocht – bei sechsundvierzig Grad im Schatten. Endspiel. Da kann alles passieren.
    Für einen City Force-Agenten und ihren Spürhund gibt es nicht viele Gelegenheiten, sich zu amüsieren, in dieser heißen, dreckigen Stadt, die keinen Namen hat. Doch heute ist mein freier Abend und es ist Freitag. Heute Nacht will ich vergessen, mich amüsieren wie der Rest der Stadt. Ein gutes Spiel, ein Sixpack und viel Action.
    »Was willst du noch, Partner?« Da liest jemand meine Gedanken. Es ist Chan. Er steht neben mir. Siegessicher und pleite – wie immer. Er grinst mich an, wippt auf den Hacken. Hat wieder mal mein Geld in seinen Taschen für seinen Wetteinsatz. JaiAlai ist angesagt, sein Spiel, seine Nacht.
    »Nenn mich nicht Partner, Schlitzauge«, blaff ich ihn an.
    »Mach keinen Stress, Langnase«, kontert er lässig.
    Ich weiß auch

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