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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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Staatsanwalt Brannigan auch dahinter gekommen und hat aufgegeben?
    Und jetzt hat also jemand radikal, aber wirkungsvoll die Beweise vernichtet. In acht Wochen ist Wahl. Plötzlich ist sie wieder da: die Nacht in Harding Jones’ Haus, ich auf Lauschposten, der finstere Señor und der durchgeknallte Neffe. Und das Wimmern, die fühlbare Verzweiflung einer Verlorenen, die mir selbst in der Erinnerung noch unter die Haut geht. Da oben in der Uptown, hinter den hohen Mauern, ist zu viel vorgefallen, als dass man es mit einer Explosion vernichten könnte.
    Ich starre immer noch in die Loge. Plötzlich kommt mir etwas seltsam vor. Das Bild der heilen Warring-Familie ist unvollständig. W.J. fehlt! Ein weiterer Beweis für seine Verwicklungen in die Drogensache? Als ob ich noch Beweise bräuchte! Aber halt, da stimmt was nicht. Irgendjemand hat schon vor langer Zeit gesagt, dass Winston J. Warring verschwunden ist. Aber wie kam er dann in das Haus? Beides geht doch nicht, oder? Ich merke, wie ich in eine Endlosschleife gerate – muss so ein scheiß Flashback sein –, und breche aus.
    »Das war kein Tempel der Stille«, erkläre ich Chan. »Wenn du mich fragst, war das ’ne verdammte Suppenküche.«
    Chan zuckt die Schultern. »Ja und? Weg ist weg.« Ihn können die Uptowner mit ihren seltsamen Gebräuchen nicht erschüttern. Dann hat eben einer ’n Drogenlabor in seinem Garten gesprengt. Ist eben ’ne seltsame Welt.
    Über das Display meines SComs scrollen ununterbrochen Statusmeldungen. Gepanzerte Sicherheitstrucks der Metropolice blockieren jetzt alle Seitenstraßen auf den Weg zum Stadion. KoGas-Werfer werden in Stellung gebracht.
    Das heißt: totale Kontrolle, kein Risiko, kein Entkommen für Downtownratten. Barrio-Schläger gegen KungFu-Kämpfer, Messer und Ketten gegen Nunchakus und Ninja-Sterne. Rund vierhundert Pachucos, die nur auf den Funken warten, den Funken, der die Downtown explodieren lässt. Outtown-Kids aus Shapiro und Rock Sands, die die Stadt aufmischen wollen.
    Manchmal frag ich mich, was schlimmer ist: Krieg der Kartelle und Triaden oder die jährlichen Endspiele. Wer nicht groß fragt, sind die DWNTN-Cops, die schlagen einfach drauf. Wegen dieser Stardust-Sache sind alle besonders nervös. Besser einer von denen als einer von uns, lautet die Devise.
    Enrique, den Champion der Burritos, erwischt es in der ersten Runde, und ich stürze zur Totobox der Cookies, setze einen Wochenkredit auf das nächste Doppel.
    Chan grölt: »He, Enrique, hörst du? Spendier dir einen. Zwanzig zu eins, raus ist der Champion, der große Macho-Champ.«
    Acht Großbildschirme. Eine Drohne zoomt auf das gebleckte Grinsen, dieses berühmte Grinsen von Feng, dem Angreifer der Cookies. Das Grinsen des Siegers, das und sein schneller Arm machen ihn zum Champ. Ist seine Stadt heute Nacht, er hat sie alle in der Hand. Auch mich. Hey, ich liebe dieses Spiel!
    Wutschreie von der Barrio-Seite, zwei Punkte für die verdammten Schlitzaugen. Messer prallen gegen die Absperrung, Panzerglas mit Hochspannungssicherung. Elektrisch blaue Entladungen zucken über das Spielfeld, gehen direkt unter die Haut, wie ein Acidtreibsatz. Die Luft im Stadion dampft von Hitze und Schweiß, die vibrierende Erregung ist greifbar. Noch zwei Punkte bis zum Sieg, zwei verdammte Punkte. Cestas zerschneiden das grelle Scheinwerferlicht. Feng packt es noch einmal, hechtet, springt, macht den Punkt. Macht den Millionendeal mit Happy-Food, ist der Champion der Champs, ist König der Stadt.
    Chan schreit, springt wie ein Irrer, schreit und springt mit dreiundzwanzigtausend ausgeflippten Fans, mit mir. Trotz der klimatisierten Loge bin ich klatschnass und völlig ausgepowert. Das nenn ich ein gutes Spiel!
    »Mann, jetzt haben wir’s … abkassiert«, brüllt Chan heiser in mein Ohr.
    Ich greif seinen Arm und zieh ihn zum Ausgang, mein SC-Display immer im Blick. »Machen wir, dass wir hier rauskommen, bevor der Ärger losgeht.«

    Rund dreitausend durchbrechen die Sperre zur Tiefgarage, dreihundertzehn bleiben auf der Strecke. Barrio-Schläger und KungFu-Kämpfer, blutend werden sie in die Sicherheitstrucks geladen. Es hätte schlimmer kommen können – kann noch kommen. Elf pm und immer noch 40°, alles ist möglich in so einer Nacht.
    Zehn Minuten später hat es den ersten Outsider erwischt. Downtown, Ecke Siebte und Westside, Barrio-Revier. Ein 63er Caddy, hologestylt, Turborace-getuned, der große Renner diesen Sommer bei den Latinos, wahrscheinlich

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