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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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sinnlose Gerede anhören muss, fang ich an zu schreien. Ich springe auf und laufe auf und ab. »Da draußen zerlegen die Spezialisten der Company ganze Häuserblocks, und ihr hockt hier und redet über Politik! Ich gehe jetzt.«
    »Halt, warte.« Bru springt ebenfalls auf und packt mich am Arm. Ich schüttle ihn ab, reiße die Tür auf und stürze ins Freie. Er folgt mir. »Tu nichts Übereiltes, Cis, bitte.«
    Ich bleibe stehen. Sehe mich um. Ich stehe mitten im finstersten Downtown. So finster, dass ich sogar die Halden riechen kann. Wie kann das angehen, ich hätte schwören können, dass wir in der Uptown sind. Plötzlich muss ich lachen. Ich weiß, wo ich bin. Nicht zum ersten Mal bin ich darauf reingefallen. Das sichere Haus stammt aus dem Geiselbefreiungs-Szenario und ist Teil der VR-Trainingseinheit »DWNTN-Environment«. Hier wurde ich ausgebildet. Was für ein Versteck. Ich lach immer noch. Chan wird hier draußen seinen Spaß gehabt haben, so viel ist sicher.
    Brubaker zieht mich zurück ins Haus und schließt die Tür. »Reiß dich zusammen, Donovan, es geht hier nicht nur um deinen Kopf, kapiert?«
    Ich nicke konsterniert.
    »Wenn Donovan eine Weile abtaucht, kannst du SpaceCraft bis nach der Wahl ruhig halten?«
    »Ich kann es versuchen.« Brannigan sieht nicht sehr zuversichtlich aus.
    »Was ist, wenn ich mit dem FTL zu den News gehe?«, pampe ich ihn an. »Wie ruhig ist SpaceCraft dann?«
    »Das können Sie nicht machen. Es hängt sehr viel vom richtigen Zeitpunkt ab.«
    »Ich scheiß auf den richtigen Zeitpunkt. Sie wollen mich mundtot machen, stimmt’s?« Aufgebracht laufe ich durchs Zimmer und werfe um, was mir im Weg steht. Und ich habe ihn für vertrauenswürdig gehalten, für die eine Ausnahme von der Regel.
    »Sie hat Recht, LB«, sagt Bru. »Mit deiner Hinhaltetaktik lieferst du sie ans Messer, und mich auch.« Er klingt vorwurfsvoll, da steht ein unausgesprochenes ›und wir waren mal Freunde‹ im Raum.
    Brannigan hört es auch. »Schon gut. Verschwindet, alle beide.« Er klingt resigniert. »Ich halte dir den Rücken frei, wie immer.« Er sieht mir in die Augen. »Und, Donovan, halten Sie sich von den Straßen fern.«
    Unvermittelt wirft er mir einen Gegenstand zu. Ich fange ihn im Flug auf – es ist ein Schlüssel. Ich löse das SCom von meinem Handgelenk, gebe es ihm und sage »danke«. Mir ist egal, was er mit meinen Daten macht. Ich reibe meinen Arm, doch ich fühle mich nicht befreit, nur unendlich müde. Wann werde ich endlich wieder selbst über mich bestimmen und nicht wie eine von diesen kleinen Holzfiguren auf einem Spielbrett hin und her geschoben werden?

Seltsame Bettgenossen und
andere Allianzen

    A: … ich habe nicht die Absicht, Fragen über meinen Bruder zu beantworten.
    F: Wo ist Ihr Bruder? Wir hätten gerne seine Meinung gehört.
    A: Die Warrings diskutieren keine Familienangelegenheiten mit den Medien.
    F: Dann gibt es da ein Problem?
    A: –

    – Im Gespräch mit Winona Warring

    In den letzten Tagen sehe ich oft in den Spiegel. Suche nach Vertrautem und Neuem. Bin ich jemand anders, jetzt, da ich weiß, wer ich bin? Von meinen Eltern gibt es keine Fotos, dafür gibt es von meinem Großvater sogar interaktive Statuen in Shapiro und New Frontier. Habe ich ihn Opa genannt? Mars-Commander Nick Berringer. Bru sagte, es liegt in meinen Augen, aus ihnen spräche die gleiche Beharrlichkeit und Stärke. Ist ein anderes Wort für Sturheit. Vielleicht sollte ich meinen Namen ändern. Donovan die Straßenratte abstreifen und jemand Neues sein. Jemand, der in einem eigenen Penthaus in der sicheren Uptown wohnt, und nicht jemand, der nur zu Gast ist und staunend durch die Räume läuft und wie ein Besucher von einem anderen Stern den Komfort begafft.
    Seit vier Tagen wohne ich in dem Penthaus am King-Presley-Boulevard. Ich wohne dort allein. Brubaker hat mich abgesetzt und ist gleich wieder verschwunden. »Besser, du weißt nicht, wo ich bin.«
    Ja, besser, ich weiß es nicht. Viel zu viel geht mir im Kopf herum, und es hat so gar nichts mit dem Potter-Fall zu tun. Stattdessen sage ich: »Bitte geh nicht.« Er geht trotzdem und ich fühle mich so dumm.
    Das Apartment ist riesig: ein Wohnraum mit Möbeln aus Echtholz und weichen Polstern, die überhaupt nicht abgewetzt aussehen. Ich laufe durch die Räume. »Hier wohnst du?« Sogar ein ganzes Zimmer nur für Brubakers JaiAlai-Trophäen gibt es. »Allein?« Zwei Schlafzimmer und ein Bad mit einem großen, in den Boden

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