Downtown Blues
Vater in der Stadtverwaltung. Angelina hatte Umgang mit den ›Raiders‹, einer Gang aus dem Viertel. Kam vor sechs Wochen mittags nicht zur gewohnten Zeit von der Schule nach Hause. Die Eltern vermuteten erst, dass eine Entführung stattgefunden haben könnte. Doch drei Tage nach ihrem Verschwinden wird die Leiche des Mädchens auf einem unbebauten Grundstück im Barrio von spielenden Kindern gefunden. Der zerstückelte Körper befand sich in einem Sack für Sondermüll. Es gab keine Hinweise auf Täter oder Motiv, ebenso wenig darauf, wo sich das Mädchen bis zu seinem Tod aufgehalten hat.«
»Was ist mit der Gang?« Chan hat aufgepasst.
»Tut mir Leid, so schlau waren die Cops auch schon. Haben sich die Hacken nach den ›Raiders‹ abgelaufen. Fanden sie nach einer Woche unten in Rock Sands, waren zur fraglichen Zeit vom Sheriff wegen ›öffentlichen Rumlungerns am Strand‹ eingebuchtet worden.«
»In Rock Sand, was?« Chan grinst, kennt die Gegend. Alles total abgedrehte Spießer, da verschwindet so mancher für nichts im Straflager. Halten ihre Straßen sauber da unten, von dem Gesindel aus der City. Zahlende Touristen sind die einzigen willkommenen Gäste. »Niemand hat das Mädchen da unten gesehen?«
»Keine Zeugen.« Ich überlege. »Könnte vielleicht nicht schaden, noch mal etwas gründlicher zu suchen.« Sind nicht gerade für ihren Arbeitseifer berühmt, die DWNTN-Cops.
Serafina Connor war die Nächste. Kellnerin in der Nachtschicht im Moccaccino-Shop der Roten Pagode, Alter zweiundvierzig. Ein paar Junkies fanden sie im Waschraum der stillgelegten Shuttlestation an der Achtzehnten Ecke Sandoval. Als die Cops eintrafen, kotzten sie immer noch. War ’n echter Horrortrip für die Typen und für die Nachtschicht aus dem DWNTN-HQ. Detective Krantz konnte sogar noch einen Verdächtigen auftreiben: José Santos, ein Nachbar und engerer Bekannter der Connor. Doch der hatte ein Alibi, war die ganze Woche auf Jobsuche im Norden gewesen. Außerdem waren alle Opfer mit derselben Waffe bearbeitet worden, und diese Sorte Lasermesser sind selbst auf dem Schwarzmarkt kaum zu kriegen.
»Sonst gibt es keine Verbindung zu dem ersten Opfer?«, fragt mein neuer Partner hoffnungsvoll.
»Was denkst du, weshalb sie der City Force die Sache angehängt haben?« Ich zögere, den File von Mord 3 aufzurufen. Habe Angst, dass der Name Shirette Gover lauten könnte. Schuld daran ist Ranson. Seit das Wort »Stardust« fiel, rechne ich mit dem Schlimmsten.
Die Fakten, sorgfältig von der Uptown-Miliz gefiltert, sind noch dürftiger als die Infos der DWNTN-Cops: Letzte Woche fand eine Patrouille der Bürgerwehr das dritte Opfer in der Uptown in einer Grünanlage, dem Laurette-Mulhaus-Gedächtnispark. Es dauerte eine Weile, bis die Vermisstenstelle sie identifizierte – eine Ausreißerin aus Shapiro. Vierzehn Jahre, drogensüchtig, soweit die Patho dies aus den Überresten schließen konnte, die über den ganzen Park verstreut gewesen waren. Ihr Name war Celia Dabbish. Als offizielle Aufsichtsperson und nächste lebende Verwandte war eine LaVerne Dabbish registriert. Sie hatte keinen Anspruch auf die Leiche erhoben.
Ein Vermerk über eine Befragung der Dabbish fehlt, ebenso eine genaue Adresse. Doch für die Details habe ich Chan. Der ist gerade dabei, sich in die Shapiro-Datenbank einzuklinken.
Plötzlich stutze ich und lese die Angaben noch mal. Ist der Fundort der Leiche Zufall, oder haben wir es mit einem Psychopathen mit Sinn für Humor zu tun? Das ist mir zu hoch. Ich rufe das Profil des Killers auf. Haben sich richtig viel Mühe gegeben, ein Phantom zu beschreiben, die Eierköpfe der C-Force, ’n Gameshow-Anheizer könnt seine Kandidaten nicht besser vorstellen. Da ist ’n Irrer unterwegs, der Frauen in kleine Stücke schneidet, und die überlegen sich, dass der Kerl ’ne harte Kindheit hatte. Hatten wir das nicht alle? Nun wundert’s mich nicht mehr, dass hier so viele Irre rumlaufen. Ha! Die kapieren anscheinend nicht, mit was sie es zu tun haben.
»Der hier ist anders«, überlege ich laut.
»Was meinst du?«
Ich tippe auf den Screen, auf dem immer noch dieses banale Profil abläuft. »Der fällt durchs Raster. Den kriegen wie nicht auf dieser ›Männlicher Weißer, zwanzig bis Ende dreißig, mit Mutterkomplex und Frauenhass‹-Schiene. Der spielt nicht nach den Regeln.«
»Woher willst du das wissen?« Chan ist skeptisch. »Du hast den Fall erst seit knapp drei Stunden.«
»Cop-Instinkt«, sage ich
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