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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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dazu eine Kernprobe genommen und die Jahresringe gezählt. Beiden Zählungen zufolge war der Tulpenbaum dreiundsechzig Jahre alt. »Das bedeutet, dass er im Frühling 1946 angefangen hat zu wachsen«, sagte ich.
    »Und das bedeutet, dass GI Doe«, sagte Miranda, »irgendwann vorher dorthin verpflanzt wurde.«
     
    Eddie Garcia wirkte schwach und verängstigt. Es war erst zwei Tage her, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, doch in diesen achtundvierzig Stunden hatte sich sein Zustand dramatisch verschlechtert. Sie verabreichten ihm inzwischen Bluttransfusionen, genauer gesagt, Erythrozytenkonzentrate, denn sein Knochenmark hatte praktisch aufgehört zu arbeiten. Ironischerweise waren die Blutkörperchen radioaktiv bestrahlt, um Keime abzutöten. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme gegen Infektionen mussten Pflegepersonal und Ärzte sich die Hände desinfizieren und eine komplette OP-Montur anziehen. Ich schaute durch das Fenster zu, wie zwei maskierte Gestalten seine Monitore überprüften und seine Infusion wechselten. Die Diskrepanz zwischen äußerem Anschein und Realität haute mich schier um: Es sah so aus, als würden sie sich vor Garcia schützen, dabei dienten die strengen Sicherheitsvorkehrungen in Wirklichkeit doch Garcias Schutz. Noch erschütternder war jedoch der Anblick seiner Hände, die in dicke Lagen Verbandsmull eingewickelt waren. Anders als bei Miranda – bisher jedenfalls – waren Garcias örtliche Verbrennungen nekrotisch geworden. Seine Hände starben.
    Ich brachte Garcia auf den neuesten Stand im Oak-Ridge-Fall, und er wirkte interessiert, aber vielleicht war er auch nur dankbar für ein wenig Ablenkung von seinem Kampf gegen das akute Strahlensyndrom. Doch in der Infusion war wohl etwas, was seine Schmerzen linderte, denn während ich ihm noch erzählte, wie die Jahresringe des Baums uns geholfen hatten, die seit dem Tod von GI Doe verstrichene Zeit zu schätzen, glitt sein Blick ab, und er schlief ein. Ich schämte mich dafür, aber ich war erleichtert, dass ich mich leise aus dem Staub machen konnte.
     
    Irgendwann am Nachmittag hörte ich ein dumpfes Rumsen vor meiner Bürotür – als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen –, gefolgt von einem Klappen, als die Tür zum Treppenhaus ins Schloss fiel.
    »Puh«, keuchte eine Stimme, die ich als Thorntons erkannte, was bestätigt wurde, als er den Kopf zu meiner Bürotür hereinsteckte und gleichzeitig an den Türrahmen klopfte.
    »Geht es Ihnen gut? Es hat sich angehört, als würden Sie Möbel die Treppe raufschleppen«, sagte ich.
    »Es hat sich auch so angefühlt«, sagte er. »Ich dachte, Sie würden das hier gern sehen.« Er verschwand wieder, und ich hörte ein angestrengtes Stöhnen. Als er wieder auftauchte, hatte er einen Koffer aus gebürstetem Aluminium im Schlepptau, von der Art, die im Allgemeinen mit teurer Elektronik oder Videoausrüstung bestückt sind. Ich räumte meinen Schreibtisch in der Mitte frei, und er setzte den Koffer mit einem leiseren Rumsen ab als eben draußen im Flur. Dann legte er ihn auf die Seite, löste die vier Schnappriegel am Rand und klappte den Deckel auf.
    Als ich erkannte, was darin war, machte ich einen Satz nach hinten. »Was machen Sie da? Schaffen Sie das sofort hier raus.«
    »Es ist sicher«, sagte er. »Wir haben es eine Seite rauf und die andere wieder runter überprüft. Es ist keine Strahlungsquelle drin – nichts Radioaktives. Das Ding hier könnte Ihnen höchstens wehtun, wenn Sie sich bei dem Versuch, es hochzuhieven, einen Bruch heben. Was mir womöglich passiert ist. Oder wenn es Ihnen auf den Fuß fällt, denn das könnte Sie bis an Ihr Lebensende zum Krüppel machen.«
    In dem Koffer war, wie ich rasch gesehen hatte, ein gewerbliches Isotopenarbeitsgerät – eines von den beiden Modellen, die Thornton uns bei seinen PowerPoint-gestützten Erläuterungen über Iridium-192 gezeigt hatte. »Ich dachte, der Hersteller würde jemanden nach Savannah River schicken, der sich die Strahlungsquelle ansieht«, sagte ich. »Haben die uns jetzt stattdessen ein Isotopenarbeitsgerät hergeschickt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir hatten Glück«, sagte er. »Das hier ist genau das Gerät, das jemand geplündert hat, um an das Iridium zu kommen, mit dem Novak getötet wurde. Muss so sein.«
    »Mein Gott«, sagte ich. »Wo haben Sie es gefunden? Wie?«
    »Wir haben gleich zu Beginn etliche Beamte auf die Durchsuchung von Altmetall- und Recyclinghöfen angesetzt«, sagte er. »Sie haben in

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