Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
sie. »Ihre cineastische Bildung hat ein Loch so groß wie der Lake Michigan, und Sie vergeuden Ihre kostbare Zeit mit Motorsägen-Porno?«
Ich lachte wieder. »Diese Zeile würde ich ….«
»Ja, ja, ich weiß … nicht mit einer Kneifzange anfassen«, fiel sie mir ins Wort. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Ich bin in einer Stunde da.«
»Sie kommen her? Zu mir?«
»Ja. Dank des Wunders von MapQuest. Und ich bringe Dr. Seltsam mit. Es sei denn, es ist Ihnen lieber, ich lasse es.« ’
»Nein«, sagte ich.
»Was, nein?«
»Nein, es wäre mir lieber, Sie würden … Also, ja, ich fand’s toll, wenn Sie … Ich meine, bitte, kommen Sie.«
Sie legte ohne ein weiteres Wort auf, und ich starrte belämmert auf den Hörer. Isabella kam zu mir? Um neun Uhr abends? Um mir einen Film zu bringen?
Ich war mir nicht sicher, was es – wenn überhaupt – sonst noch bedeuten könnte. Nachdem ich zu Abend gegessen hatte, hatte ich eine OP-Montur angezogen – aus irgendeinem Grund kam ich mir in einem Schlafanzug immer dämlich vor, aber OP-Kleidung war bequem, ohne dass ich mich darin komisch fühlte. Jetzt zog ich eine Jeans und ein Sweatshirt an.
Fünfundvierzig Minuten später sah ich Scheinwerfer in der Auffahrt, und dann läutete es an der Tür. Als ich öffnete, stand Isabella vor mir, über der Schulter eine Segeltuchbüchertasche.
»Sie sind verrückt«, sagte ich. »Warum haben Sie ihn mir nicht einfach nächstes Mal gegeben, wenn ich in die Bücherei komme, um mit Ihnen zu flirten?«
»Weil ich weiß, dass Sie nie die Zeit finden würden, ihn sich anzusehen, wenn ich ihn Ihnen einfach in die Hand drücken würde«, sagte sie. »Sie würden ihn zur Seite legen und sich Knochen anschauen. Oder Kettensägenprospekte.«
»Und jetzt drücken Sie ihn mir nicht einfach in die Hand?«
»Nie im Leben. Wir setzen uns jetzt hin und schauen ihn uns zusammen an.«
»Was … jetzt? Sie zwingen mich dazu, mir jetzt diesen Film anzusehen?«
»Sie werden mir noch dankbar sein«, sagte sie. »Ihre moralische und intellektuelle Entwicklung steht auf Messers Schneide. Abgesehen davon ist er ungeheuer witzig. Und ungeheuer gruselig, denn die Dinge haben sich nicht so sehr verändert, wie man erwarten könnte.« Sie griff in die Tasche, holte eine DVD-Hülle heraus und reichte sie mir. »Okay, Sie legen die DVD ein, während ich die Mikrowelle einschalte.«
»Warum wollen Sie die Mikrowelle einschalten?«
»Um Popcorn zu machen natürlich.« Sie griff wieder in die Tasche und holte ein Päckchen Pop Secret heraus. Der Name entlockte mir ein Lächeln. Vielleicht war es auch die Art, wie sie die Augenbrauen hochzog, während sie das Päckchen schüttelte. »Für Sie habe ich Diätcola mitgebracht und für mich Original Sin.«
Ich hatte beinahe Angst zu fragen. »Original Sin?«
»Cider«, sagte sie strahlend. »Apfelsaft für Erwachsene. Sollten Sie irgendwann mal probieren.«
»Ich habe Morbus Menière«, erklärte ich ihr. »Gelegentliche Anfälle von Drehschwindel. Das Letzte, was ich brauche, ist noch etwas, wovon mir schwindlig wird.«
»Von einer Flasche Cider wird Ihnen nicht schwindlig«, sagte sie. »Aber hier wird kein Druck ausgeübt. Ich würde mir im Traum nicht einfallen lassen, Ihnen zu sagen, was Sie zu tun haben. Und jetzt legen Sie die DVD ein.«
»Ja, Madam«, sagte ich und zeigte ihr den Weg in die Küche. Kurz darauf hörte ich die Mikrowelle piepsen, als sie irgendwelche Ziffern eingab und auf START drückte. Als der Copyright-Hinweis auf dem Fernsehbildschirm vom Vorspann abgelöst wurde, hörte ich das Stakkatofeuer der explodierenden Maiskörner. Über den Lärm in beiden Räumen rief ich: »Soll ich den Film anhalten?«
»Nein«, rief sie. »Ich habe ihn schon siebenundfünfzig Mal gesehen. Setzen Sie sich hin. Schauen Sie zu.«
Ich setzte mich. Ich sah, wie der Vorspann ablief. »Ich wusste nicht, dass Peter Sellers da mitspielt. Ich liebe die Rosaroter-Panther- Reihe.«
»In dem da spielt er drei Rollen«, sagte sie von der Tür. »Ursprünglich sollten es vier sein, aber er hat sich den Knöchel verstaucht und konnte die vierte nicht spielen.«
Der Film schien schwarzweiß zu sein, was mir seltsam vorkam. »Von wann ist der? Ich dachte, der Farbfilm wurde in den 1930er Jahren erfunden.«
»1964. Er ist schwarzweiß, damit er aussieht wie die Filme aus der Zeit des Kalten Kriegs und des Zivilschutzes und so weiter. Und jetzt, pst! Schauen Sie. Und staunen Sie.«
Ich hielt den Mund.
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