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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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mir leid. Sie haben gerade etwas über die Zeitung gesagt.«
    »Oh, nichts Wichtiges. Nur, dass ich in dem Artikel über Novak Ihr Foto gesehen habe. Übrigens, wenn ich es richtig verstanden habe, haben Sie ein Souvenir dagelassen, als Sie die Leiche geborgen haben, nicht wahr, in ungefähr zweieinhalb Meter tiefem Wasser versenkt.« In ihren Augen blitzte der Schalk, als sie mit gekrümmtem Finger auf den Swimmingpool zeigte, der hundert Meter unter uns lag.
    »Die haben über meine Kettensäge geschrieben?« Ich wollte seufzen, doch was herauskam, war ein Lachen. »Ich wünschte, sie würden sich beeilen und den Pool ablassen.«
    »Das wird wohl noch ein Weilchen auf sich warten lassen«, sagte sie.
    »Oh, es wird allmählich wärmer«, sagte ich, obwohl mir aufgefallen war, dass die rechteckige Öffnung, die ich ins Eis gesägt hatte, wieder zugefroren war. »Wahrscheinlich hat es in zwei Tagen so viel getaut, dass man ihn ablassen kann.«
    »Es liegt ja nicht nur am Eis«, meinte sie. »Es wäre ein Wunder, wenn der Ablauf noch funktionieren würde. Das ganze Ding ist doch völlig marode.«
    Selbst aus der Entfernung waren die abblätternde Farbe und das durchhängende Dach des Hotels gut zu erkennen. Genau wie das trübe Eis. »Es hat wahrlich bessere Tage gesehen.«
    »Haben wir das nicht alle?«, sagte sie. »Haben wir das nicht alle? Dieses zerfallene Hotel ist ein ziemlich gutes Symbol für Oak Ridge und uns alle, die wir seit seiner Entstehung hier sind. Wir waren jung, klug und wichtig, standen am Scheideweg der Welt, wenigstens der Welt der Atomphysik. Und sehen Sie uns jetzt an. Die glorreichen Tage sind längst vergangen. Noch ein paar Jahre, und das Hotel ist Staub. Genau wie all die berühmten Menschen, die vor fünfzig Jahren auf seiner Veranda saßen und austüftelten, wie man die Bombe baut. Nein, vor sechzig Jahren. Nein, fünfundsechzig, verdammt. Oppenheimer, Fermi, Lawrence – sie sind alle längst tot. Novak war einer der Letzten. Solche gibt’s heute nicht mehr.«
    »Sie haben ihn also gekannt?«
    »Vor sehr langer Zeit«, sagte sie. »Ja, ich habe ihn gekannt. Da steckt eine Geschichte dahinter. Würden Sie sie gern eines Tages hören?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich. »Ich wette, Sie erzählen ziemlich gute Geschichten.«
    »Kommen Sie mich besuchen«, sagte sie, »dann finden wir es heraus.«
    Sie kramte in ihrer kleinen Handtasche herum und holte einen Stift heraus. Dann faltete sie das Programm des Gedenkgottesdienstes zusammen, damit es steifer wurde, schrieb ihren Namen, ihre Adresse und ihre Telefonnummer darauf und reichte es mir.
    »Beatrice Novak« lautete ihr Name.
    Ich machte große Augen. Sie lächelte ein wenig. »Ich war mit ihm verheiratet«, sagte sie. »Vor langer, langer Zeit.«

11
    Ich war noch nicht so weit, Oak Ridge zu verlassen, ich wollte mich noch ein wenig länger in dem sepiafarbenen Gefühl für die Geschichte versenken, in das Novaks Beerdigung mich versetzt hatte. Daher fuhr ich an den Einkaufsstraßen vorbei, die die Oak Ridge Turnpike säumten, und bog zum American Museum of Science and Energy ab, einem klotzigen, schlammfarbenen Backsteingebäude neben der Polizeiwache. Den Gehweg vor dem Gebäude säumten spitze Maschinenteile aus dem Kohlebergbau und von Bohrtürmen. Drinnen – durch eine stacheldrahtgesäumte Tür und vorbei an einer als Wachposten aus dem Zweiten Weltkrieg verkleideten Schaufensterpuppe – erzählten Fotografien, Filmaufnahmen und Dokumente die Geschichte des Manhattan-Projekts. An einer Wand wurde ein zerkratzter Film von Albert Einstein gezeigt, den man mit seinem struppigen weißen Haar sofort erkannte, wie er einen Brief schrieb. Neben dem Videomonitor war eine vergrößerte Kopie des Briefes, den Einstein im August 1939 an Präsident Franklin D. Roosevelt geschickt hatte. Darin brachte er seine Sorge über das deutsche Atomprogramm zum Ausdruck und empfahl, die USA solle in die Atombombenforschung investieren. Obwohl in den ersten beiden Jahren danach noch nicht viel passiert war, hatte Einsteins Brief den ersten Anstoß gegeben und gehörte – zumindest aus historischer Perspektive – zum wissenschaftlichen Stammbaum der Bombe.
    Was mich in dem abgedunkelten Raum jedoch am meisten interessierte, waren die Fotos aus der Kriegszeit, die die Entstehung und die Kriegsjahre der Stadt dokumentierten, die unter dem Namen Oak Ridge bekannt wurde. In drei kurzen Jahren war aus einer Handvoll ländlicher Siedlungen – Farmen,

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