Dr. med. Erika Werner
nie eine Liebesaffäre übelgenommen … im Gegenteil: Sie hebt seinen Charme! So dachten Sie, und so wäre es auch gekommen, wenn es nicht einen Doktor Plattner gäbe!«
»Sie?!«
»Ja.«
»Sie sind ein Phantast! Wer wird Ihnen diesen Räuberroman glauben?«
»Das Schöffengericht.«
»Sie junger Hüpfer!« Bornholm lachte rauh. »Ich weiß nicht, welcher Illusion Sie aufgesessen sind, aber wenn Sie logisch denken, dann müssen Sie sich doch sagen, daß Sie mit Nichts in den Händen nach Elefanten schießen! Sie tragen einen Verdacht vor, die Racheaussage einer Zuchthäuslerin – und schon ist Schluß. Ich werde beschwören können, daß alles unwahr ist. Ich wiederhole auch jetzt: Ich kam erst, als alles vorbei war … am Morgen! Alles andere ist Unsinn! Ich möchte den sehen, der beschwören kann, mich in der Nacht in der Klinik oder im OP gesehen zu haben! Es muß ein Phantom sein!«
»Ich werde es finden!«
Bornholm sah Dr. Plattner mit zusammengekniffenen Augen an. Er wußte, daß es keine Großsprecherei war, er sah die Gefahr, und er wußte nicht einmal, wieweit der junge Anwalt bereits Beweise in der Hand hielt. Niemand geht ohne Rückendeckung so massiv vor. Es gibt kein perfektes Verbrechen … das war eine Weisheit, die noch nie widerlegt werden konnte.
»Dann viel Glück!« sagte Bornholm heiser. »Und jetzt gehen Sie. Sonst verliere ich meine gute Erziehung und werfe Sie eigenhändig hinaus.«
In der Tür erschien wieder das Hausmädchen. Dr. Plattner nickte.
»Ach ja. Ich vergaß … der Schwiegerpapa wartet!« Er nahm seine Aktentasche, schob sie unter den Arm, winkte Bornholm freundlich zu und nickte dem Mädchen zu. »Na, dann gute Fahrt nach Rom, Herr Professor!« sagte er und ging schnell aus dem Zimmer.
Das Hausmädchen sah zu Bornholm hinüber. »Herr Professor verreisen?«
»'raus!« brüllte Bornholm.
In der Diele stand Dr. Plattner und zog seinen Mantel an. Er streckte die Hand aus und gab dem Mädchen ein Fünfmarkstück.
»Für den Schwiegerpapa-Anruf …«
»Aber!« Das Mädchen riß die Augen auf.
Dr. Plattner winkte ab. »Jede Pointe ist ihr Geld wert. Seien Sie auf der Hut, Mädchen: Bei Bornholm können Sie da in der nächsten. Zeit noch allerlei verdienen –«
Am Sonntag, nach dem Mittagessen, meldete sich bei Professor Rathenau ein unbekannter Besucher an.
»Soll wiederkommen!« sagte Rahtenau. »Sonntags will ich meine Ruhe haben! Außerdem habe ich zu arbeiten. Sagen Sie ich sei gerade aus Rom gekommen und hätte gar keine Zeit …«
Die Haushälterin ging mit dieser Auskunft. Nach zwei Minuten klopfte sie wieder an die Tür.
»Der Herr sagt, er überließe es Ihrer Intelligenz – das hat er wörtlich gesagt! – zu entscheiden, ob die Insel Bornholm in Ron erobert werden kann.«
Professor Rahtenau zog die Augenbrauen zusammen und biß sich auf die Unterlippe.
»Es scheint sich um einen äußerst witzigen Mann zu handeln«, sagte er etwas unsicher. »Lassen Sie ihn hereinkommen. Und nach zehn Minuten …«
»Ich weiß, Herr Professor.« Die Haushälterin lächelte breit. »Die Klinik ruft an.«
Mit jungenhaftem Lächeln betrat Dr. Plattner den Salon des alten Professors Rahtenau. Er sah den berühmten Mann zum erstenmal. Gehört hatte er manches von ihm. Wunderdinge, Operationen, die an Zauberei grenzten. Nun sah er sich einem weißhaarigen Gelehrtenkopf gegenüber, forschenden, scharfen Augen und dünnen Lippen, die vom charmantesten Kompliment bis zur unvorstellbarsten Schimpfkanonade alles geformt hatten, was es nur an Worten gab. Zwei Generationen Mediziner hatten vor ihm gezittert, einige tausend Studenten vergaßen im ganzen Leben nicht die Prüfungen, die Rahtenau mit ihnen abhielt, und seine Oberärzte standen oft vor den Spiegeln in ihren Zimmern und betrachteten sich, ob sie wirklich wie dumme Jungen aussahen, als welche sie von Rahtenau öffentlich behandelt wurden.
Dr. Plattner war kein Mediziner. Er empfand daher keine berufliche Angst noch eine heilige Scheu vor dem großen Arzt. Er war ein moderner Jurist, der mit einem dicken Sack Sarkasmus durchs Leben pilgerte und von allen menschlichen Schwächen alle kannte und verstand bis auf eine: Die Angst vor Prominenten und Vorgesetzten.
»Grüß Gott!« sagte er unbefangen. »Ich muß mich sehr entschuldigen, daß ich Ihre Sonntagsruhe störe. Aber ich habe etwas auf dem Herzen, was nicht die Ruhe eines Sonntags stört, sondern was Unruhe in drei Jahre bringt!« Er sah sich nach der
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