Dr. med. Erika Werner
Haushälterin um, die noch immer auf der Türschwelle stand. »Im übrigen – falls es auch hier Sitte ist – können Sie es sich sparen, nach zehn Minuten mit einem Telefonanruf zu kommen. Ihre Kollegin bei Professor Bornholm hat dafür fünf Mark kassiert … mir wird das sonst zu teuer. Ein junger Anwalt streichelt noch jedes Markstück, das hereinkommt.«
Mit hochrotem Kopf ging die Haushälterin hinaus. Professor Rahtenau drückte das Kinn an den Kragen.
»Sie erwähnten eben meinen Schwiegersohn? Hängt Ihr Besuch mit Herrn Professor Bornholm zusammen?«
»Er ist der Anlaß dazu, Herr Professor.« Dr. Plattner hob bedauernd die Schultern. »Ich habe bei Ihrem Schwiegersohn Zeichen einer chronischen Vergeßlichkeit festgestellt. Es kann sich doch unmöglich um eine Arteriosklerose der Gehirngefäße handeln … in dem Alter? Ich bin nun zu Ihnen gekommen, in der Hoffnung, daß Sie sich vielleicht besser erinnern.«
»Was hat Professor Bornholm vergessen?« fragte Rahtenau laut. Er musterte Dr. Plattner wie ein widerwärtiges Tier, das durch einen Türspalt geschlüpft war.
»Manches, Herr Professor. Erst einmal, daß die zu drei Jahren wegen eines tödlichen Abortus verurteilte Ärztin Doktor Erika Werner – deren Interessen ich übrigens vertrete – die Geliebte des damaligen Dozenten Doktor Bornholm war und in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stand, daß sie eine Schuld auf sich nahm, die …«
»Reden Sie nicht weiter!«
Professor Rahtenau erhob sich. Er stützte sich auf die Kante des Tisches und schüttelte den Kopf.
»Was geht mich das an? Der Prozeß ist vorbei!«
»Ich bin dabei, ihn wiederaufnehmen zu lassen.«
»Aber …« Professor Rahtenau starrte den jungen Rechtsanwalt mit offenem Mund an. »Es ist doch erwiesen, daß mein Schwiegersohn …«
»Es ist erwiesen, daß Doktor Bornholm sowohl der Geliebte der getöteten Helga Herwarth war, und es wird bewiesen werden, daß das Kind, das sie bekam, sein Kind war. So wie er auch der Geliebte der Ärztin Erika Werner war. Erwiesen ist, daß Helga Herwarth nicht wie ein Geist durchs Schlüsselloch in Ihre Klinik, Herr Professor, geflogen ist, sondern daß sie hereingelassen wurde. Durch Hintertüren, die nur einer kannte, der auch die Klinik wie seine eigene Tasche kennt! Fräulein Werner konnte es nicht sein, denn es war ihre erste Klinikstelle. Sie war erst sechs Wochen im Haus! Erwiesen ist auch, daß Fräulein Werner gar keinen Grund zu diesem Eingriff hatte … wohl aber der Vater des Kindes, dessen Karriere auf dem Spiel stand. Und als das Unglück im OP geschah, brach die Karriere vollends zusammen … wenn nicht Erika Werner sie rettete, aus Liebe, mit dem Versprechen, nach den drei Jahren Zuchthaus geheiratet zu werden. Mit diesem Glauben ging sie zum Prozeß, ging sie ins Zuchthaus.«
»Das … das ist nicht wahr«, stotterte Professor Rahtenau.
Er mußte es sagen … es war sein einziger Schutz … Ungläubigkeit. Dabei hörte er jetzt nur, was er in all den vergangenen Monaten selbst geahnt hatte und was er in sich unterdrückt hatte, wenn er zusah, wie glücklich Petra an der Seite ihres schönen, berühmten Mannes war.
»Was … was soll ich denn dabei?« fragte er. Es klang so kläglich, daß Dr. Plattner so etwas wie Mitleid fühlte.
»Ich möchte Sie bitten, auf Professor Bornholm einzuwirken, daß Fräulein Werner rehabilitiert wird. Er allein kann es. Er kann die Lage richtigstellen.«
»Er soll gestehen, meinen Sie?!«
»Ja.«
»Wissen Sie, was Sie da verlangen?«
»Wahrheit.«
»Das Ende von allem, was er sich aufgebaut hat. Auch das Ende vom Glück meiner Tochter.«
»Und an das Ende der kleinen Ärztin Erika Werner denken Sie nicht?«
Professor Rahtenau senkte den Kopf. »Wenn das alles stimmt, was Sie sagen … Ich werde mit meinem Schwiegersohn zusammen dafür sorgen, daß Fräulein Werner nach ihrer Entlassung nichts entbehrt. Ich verpflichte mich, finanziell wie ideell dafür zu sorgen, daß ihr ferneres Leben …«
»Herr Professor …« Die Stimme Dr. Plattners war sanft, aber doch alle weiteren Worte abschneidend. »Ich rechne es Ihrer Erregung zu, daß Sie so etwas sagen … Es kann nicht Ihr wirklicher Ernst und Ihre Einstellung zu den Dingen sein. Ich weiß, daß in Studentenkreisen gesagt wird: Dem Rahtenau kannste die Präparate mit Coca Cola übergießen … er hat Verständnis dafür … nur die Wahrheit mußte sagen … Das sagen die Studenten von Ihnen … Und auf diese Stärke
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