Dr. med. Erika Werner
hoffentlich zum Guten! Sie verstehen: Die Aussagen eines Anstaltsarztes, der eine Liebschaft mit einer Strafgefangenen hat … das ist unmöglich ein Beweismittel, sondern im Gegenteil ein neuer Anklagepunkt! Das nur als väterlicher Rat.«
»Ich kann warten, Herr Direktor. Was man mit diesem Mädchen getan hat, ist so gemein, daß man fast zum Verbrecher werden könnte.«
»Sie denken an diesen Bornholm?« Der Direktor schüttelte den Kopf. »Lassen Sie die Finger davon, Rumholtz. Der Mann ist berühmt. Sie sind dagegen ein kleines, schwindsüchtiges Licht. Wer berühmt ist, hat zunächst immer das Recht auf seiner Seite.«
»Zunächst –«
»Eben! Das wollte ich sagen. Es wird ein langer Kampf werden, vielleicht ein vergeblicher. In spätestens sieben Monaten wird man Fräulein Werner begnadigen und den Rest der Strafe erlassen. Dann können Sie sie immer noch heiraten, und keiner kräht mehr nach dem Vergangenen. Ihr Kampf gegen Bornholm, gegen die Staatsanwaltschaft, gegen das Gericht, gegen alle, die Erika Werner schuldig sprachen und sich nun selbst berichtigen sollen, wird schwerer und länger sein. Und aussichtsloser!«
»Es gibt hier nur eins: Die volle Wahrheit! Es muß doch nicht so schwer sein, die Wahrheit zu sagen!«
»Haben Sie eine Ahnung!« Der Direktor klopfte Rumholtz auf die Schulter. »Das ist das schwierigste überhaupt – Wer glaubt denn heute noch an die Wahrheit?«
Vier Tage blieb Erika Werner in ihrer Besinnungslosigkeit. Sie wurde durch Sonden künstlich ernährt, bekam Herzstärkungsspritzen, Traubenzuckerinjektionen und immer neue Eisbeutel auf das stark durcheinandergeschüttelte Gehirn.
Dr. Rumholtz nutzte diese Zeit aus. Er pendelte zwischen dem Zuchthauslazarett und der Stadt hin und her. War er außerhalb des großen, roten Backsteinkomplexes, rief er jede Stunde an und erkundigte sich nach dem Befinden Erikas. Die Revierbeamtin stellte fast schon die Uhr, wenn Dr. Rumholtz weggefahren war. 14.56 Uhr … um 15.56 ruft er an. Und immer war die Antwort die gleiche: »Noch nicht aufgewacht. Puls weich.«
Die Stadtbesuche galten seinem Freund, dem jungen Rechtsanwalt Dr. Hermann Plattner.
Bisher hatte man von diesem Dr. Plattner noch wenig gehört. Er hatte seine Praxis ganz neu aufgemacht, voll Optimismus, daß einmal der große Fall kommen würde, der seinen Namen bekanntmachen konnte. Im Augenblick waren es Lappalien, die er durchpaukte: Zahlungsbefehle, die zu Protest gingen, kleine Beleidigungen, eine Schlägerei, eine Ehescheidung, ein Grenzstreit zwischen zwei Bauern. Die einzige Strafsache, die Dr. Plattner in der Praxis hatte, war die Verteidigung einer Dirne, die öffentlich die Polizei als beste Kunden bezeichnet hatte. Es war eine von vornherein verlorene Sache.
»Auch das ist faul!« sagte Dr. Plattner, als sein Freund Dr. Rumholtz mit dem ›Fall Dr. Werner‹ zu ihm kam. »Erst gesteht sie, dann widerruft sie, weil der Adonis eine andere heiratet. Jeder wird sagen: Ein Racheakt! Ein Gericht ist nicht dafür da, die Privatkriege zwischen Verliebten auszufechten, und übrigens ist das neue Geständnis deiner Wunderärztin durchaus kein Revisionsgrund! Schon gar nicht unter diesen dramatischen Zuständen. Wir müssen Beweise bringen!«
»Dann bring sie!« rief Dr. Rumholtz erregt. »Ihr Juristen seid eine langweilige Bande! Überall seht ihr Paragraphen und Unrat … nirgends seht ihr das Menschliche!«
»Das Recht ist Logik. Ist Menschliches logisch?«
»Ich bin nicht hier, um mit dir Philosophie zu treiben. Du sollst Erikas Fall wiederaufnehmen lassen! Sie ist unschuldig … Und ich sage dir: Du hast hier einen Prozeß in der Hand, der dich ganz vorn in die erste Reihe der Anwälte stellt, wenn du ihn gewinnst.«
»Wenn! Das ist es eben! So, wie du mir alles geschildert hast, ist alles oberfaul! Dieser Professor Bornholm wird nie gestehen … er ist ja kein Idiot! Zeugen gibt es nicht. Nur das neue Geständnis einer Verurteilten, die damals auf alle Rechtsmittel verzichtete und das Urteil annahm.«
»Aus Liebe! Aus Verblendung!«
»Das nimmt uns doch kein vernünftig denkender Mensch ab, Peter! Ende der Karriere, Ende der ärztlichen Laufbahn, Aberkennung der Approbation, drei Jahre hinter Gittern … und alles freiwillig, eines Mannes wegen, dessen Karriere nicht gestört werden soll!«
»Dann müssen wir eben das Material sammeln!« rief Dr. Rumholtz. Der Rechtsanwalt nickte.
»Und es liegt so auf der Straße herum. Nur bücken und aufheben! Die
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