Dr. med. Erika Werner
Dr. Plattner laut.
»Und wie ich ihn kenne!«
»Nennen Sie ihn.«
»Sagen Sie den Namen!«
»Bornholm!«
»Er ist's!« Bruno Herwarth umklammerte die Tischkante.
»Was wollen Sie tun?«
»Nichts.«
»N… nichts …?«
»Ich habe keine Beweise!«
»Aber ich habe sie!« schrie Herwarth. Er schleuderte das Reißbrett mit der Villenzeichnung auf den Boden und zog unter den vielen Planzeichnungen eine große Skizze hervor. Mit zitternden Händen breitete er sie vor Dr. Plattner aus.
»Mein Beweis!« sagte er heiser. »Der Grundriß der Klinik, in der Helga starb! Mit Rotstift habe ich den Weg eingezeichnet, den sie gegangen ist … von der Straße, durch die kleine Pforte, durch den Garten, über den Hof, vorbei am Labor Bornholms zu der Kellertür, durch die Keller zum Lastenaufzug bis zum OP, wo sie geschlachtet wurde.« Sein Kopf sank auf die Brust. Röchelndes Stöhnen begleitete seine Worte. »Geschlachtet wie ein Stück Vieh.«
Dr. Plattner starrte auf die Planzeichnung und auf den roten Weg … eine Linie, die wie ein Blutfaden durch das Haus lief und in einem Raum endete, in dem eingetragen stand: Leichenkeller. Ein leiser Schauer durchlief ihn. Er setzte sich wieder.
»So kann es gewesen sein«, sagte er mit belegter Stimme.
»So war es!« schrie Bruno Herwarth. »Anders war es gar nicht möglich! Das ist Logik, bewiesen in einem Plan … das ist so unwiderlegbar wie zwei mal zwei vier ist! Und ich habe es Bornholm selbst gesagt!«
Dr. Plattner schnellte hoch. »Sie haben Bornholm diese Zeichnung –«
»Ich habe sie ihm unter die Nase gehalten. Jawohl!«
»Und? Was sagte er?«
»Er lachte! Er nannte mich einen Narren!«
»Das waren Sie auch! Jetzt ist er gewarnt!«
»Ich wollte sein Gesicht sehen … seine Augen. In seinen Augen mußte die Schuld hochschnellen, wenn er diesen Plan sah … Und ich habe seine Augen gesehen … sie waren voller Angst … und wenn er auch lachte … er hat Angst, hündische Angst vor mir … Und die wird ihn ins Verderben stürzen … Nichts frißt an einem Schuldigen mehr als die Angst … Ich habe Zeit … ich warte auf einen Fehler, den er macht … Und er wird diesen Fehler machen.«
»Ich habe keine Zeit … darin unterscheiden wir uns, Herr Herwarth. Ich muß handeln, weil meine Klientin unschuldig im Zuchthaus sitzt und kein Tag, den sie dort hinter Gittern verbringt, ihr wiedergegeben werden kann! Und je mehr Zeit verrinnt, um so schwerer wird es sein, die Spuren wieder aufzurollen!« Dr. Plattner streckte den Arm aus. »Überlassen Sie mir den Plan, Herr Herwarth.«
»Mein wertvollstes Stück? Nein! Ich werde Ihnen eine Kopie davon anfertigen.«
Nach zwei Stunden hatte Dr. Plattner die Kopie des Klinikgrundrisses.
Er fuhr sofort mit ihr hinaus zu den großen Krankenanstalten.
Nur langsam, in Intervallen, kehrte das Bewußtsein bei Erika Werner zurück. Wenn sie die Augen aufschlug und fragend um sich schaute, hatte Dr. Rumholtz das Gefühl, daß sie sich wundere, überhaupt noch zu leben. Dieses Bewußtsein, nicht der Welt entflohen zu sein, mußte sie jedesmal so erschüttern, daß sie wieder in die Ohnmacht zurückfiel.
Sie wollte nicht mehr leben, das war es. Ihre Welt war verraten worden, und sie hatte sich gerächt, indem sie die Wahrheit hinausgeschrien hatte. Danach gab es nichts mehr, was wert gewesen wäre, ihrem Leben einen Sinn zu geben.
Dr. Rumholtz erkannte sehr wohl diese innere Not Erikas. Daß er ihr nicht helfen konnte, war ihm schrecklich und zehrte an seinen Nerven.
Er tat als Arzt, was er tun konnte. Er setzte ihr einen Dauertropf an mit Vitaminen und kräftigenden Lösungen, er injizierte Herzstärkungsmittel, er hielt den Blutkreislauf immer in Fluß, er unterstützte die Nerven … aber es waren alles nur äußerliche Reize, ein gewaltsames Zwingen des Körpermechanismus, die Arbeit weiterzutun. An Erikas Seele kam er nicht heran … sie hüllte sich in Bewußtlosigkeit ein, so wie eine Seidenraupe sich in ihren Kokon verspinnt.
Einmal nur, nach vier Tagen, blieb sie eine längere Zeit in der Welt. Sie sah Dr. Rumholtz aus großen, leeren Augen an und flüsterte:
»Warum laßt ihr mich nicht sterben …«
»Weil's noch zu früh ist …«
»Was macht Alf?«
Dr. Rumholtz verkrampfte die Hände hinter dem Rücken. Sie denkt an Bornholm, durchzuckte es ihn. Und es tat ihm weh.
»Ich weiß es nicht.«
»Ihr habt ihn verhaftet?«
»Nein!«
»Warum hat er das getan … warum?« flüsterte sie. Sie starrte an die Decke.
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