Dr. Ohio und der zweite Erbe
Sie ihn zu mir ins Sanatorium bringen?“, fragte er. Dr. Rainer runzelte die Stirn.
„Wir haben dort auch schwer kranke Patienten, die rund um die Uhr betreut werden. Ich habe Zimmer frei und genug Personal. Natürlich können Sie ihn jederzeit sehen, wenn Sie wollen“, beeilte sich Dr. Ohio zu versichern.
„Hm, na gut“, sagte Dr. Rainer nach kurzem Bedenken. „Wenn die Kommissarin nichts dagegen hat, soll’s mir recht sein.“
Die Kommissarin hatte nichts dagegen und wenig später nahmen Erika und Dr. Ohio Schmidt im Auto mit. Dr. Laudtner verabschiedete sich recht aufgeräumt von ihnen und sagte, er müsse noch mit Murnach über eine mögliche Vertretung seines Falls reden. Sie würden sich später sehen.
„Er war recht vergnügt“, sagte Erika, als sie auf dem Rückweg waren.
„Kein Wunder.“ Dr. Ohio starrte hinaus auf die dunkler werdende Landstraße. „Er weiß, dass Schmidt sein Erbe mit ziemlicher Sicherheit nicht antreten kann. Und ob wir von ihm erfahren können, wo sich sein Bruder aufhält, ist äußerst fraglich.“
Dr. Ohio war ziemlich niedergeschlagen. Schmidt war Autist, in welchem Grad war zwar noch nicht klar, aber hilfreich würde er kaum sein. Sie hatten ihn auf der Station einquartiert, wo er ein eigenes Zimmer bekam. Erika und Dr. Ohio blieben in der Nähe, bis alles zu ihrer Zufriedenheit geregelt war und die diensthabende Nachtschwester sie wegschickte. Auf dem Weg zum Aufzug kam Dr. Ohio auf einmal der Gedanke, er könnte seine Gehülfin ja noch auf ein Glas zu sich einzuladen. Vor der Aufzugtür blieben sie stehen.
„Also dann ...“, sagte Erika. Sie wirkte etwas müde. Ohio sah ihr kurz in die grauen Augen und streifte ihren etwas zu engen Pullover, als er ihr die Hand gab.
„Ja, dann ...“ Etwas in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Ihr Körper straffte sich und sie sah ihn aufmerksam an, sagte aber nichts. Bevor Ohio sich im Klaren war, kam der Aufzug. Er stieg ein und sagte: „Gute Nacht. Bis morgen.“
Als er nach unten fuhr, hörte er über sich einen dumpfen Schlag, wie einen Fußtritt. Ich hätte mich bei ihr bedanken sollen, dachte er. In seinem Appartement ließ Ohio sich auf seine Couch fallen und starrte in die Dunkelheit draußen vor dem Fenster. Er versuchte, seinen Kopf leer zu bekommen. Gerade als der Gedanke an einen Whisky in sein Gehirn schlich, klopfte es. Erschrocken fuhr Dr. Ohio auf. Wer konnte das sein? Er dachte an seine Gehülfin und stellte fest, dass sein Herz zu pochen angefangen hatte. Oder es war ...? Er sah sich um. Dann ging er zu dem Stuhl, über den er achtlos sein Jackett geworfen hatte. In der Innentasche spürte er die Pistole und versteckte sie hinter seinem Rücken. Dann öffnete er die Tür einen Spalt.
„Entschuldige“, kam es von draußen. „Es ist schon etwas spät, aber ich dachte, ich sehe mal nach dir.“
Dr. Ohio war erleichtert und verwirrt und das Herzklopfen hörte nicht auf.
„Brigitte“, sagte er und stieß die Tür vollends auf. „Komm rein.“ Die Pistole war ihm peinlich und er eilte vor ihr her, um sie schnell wieder in der Jackentasche zu verstecken.
„Ich störe dich!“, rief sie von der Tür aus. „Soll ich wieder gehen?“
„Auf keinen Fall“, sagte Dr. Ohio und war froh, dass er Erika nicht noch auf ein Glas eingeladen hatte. „Ich bin es nur nicht gewohnt, dass du dir Sorgen um mich machst.“
Sie kam herein. Sah ein bisschen müde aus. Als ob sie schon etwas unternommen, erlebt hätte an diesem Abend. Aber Ohio bemerkte es nicht.
„Trinkst du ein Glas?“, fragte er, nachdem er die Pistole verstaut hatte.
„Natürlich“, sagte Brigitte. „Natürlich trinke ich ein Glas.“ Sie ließ sich auf die Couch fallen und sah ihm zu, wie er die Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank holte. Es war warm in der Wohnung. Abrupt stand sie wieder auf und öffnete die Balkontür. Ein leichter Wind wehte und sie trat hinaus. Man sah ein paar Sterne und einen schmalen Mond, der knapp über dem Horizont hing.
„Hier.“ Dr. Ohio war hinter ihr hergekommen und reichte ihr ein Glas.
„Danke.“ Sie lehnte sich an das Geländer und nahm einen Schluck.
Er sah sie an, konnte aber nicht viel erkennen. Es war zu dunkel. Das wenige Licht aus seinem Wohnzimmer blendete ihn. Aber er spürte, dass sie etwas beschäftigte.
„Was ist los?“, fragte er, mehr aufs Geratewohl als mit einem bestimmten Ziel.
Sie seufzte.
„Ich frage mich, ob du schuld bist“, sagte sie nach einer Weile. Er verzog
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