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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Stichler
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heraus.
    Nach ein paar Versuchen sagte sie: „Zumindest was den Aufenthaltsort seines Bruders angeht, führt das zu nichts. Der einzige Anhaltspunkt, den wir haben, ist Murnach. Nur er kann nützliche Informationen haben.“
    Dr. Ohio bemerkte überrascht, dass sie „wir“ sagte und damit die Angelegenheit sozusagen auch zu ihrer machte. Er hatte nichts dagegen. Im Gegenteil: Erika half ihm, den Überblick zu bewahren.
    Brigitte sah er in diesen Tagen selten, und wenn, dann stürzte sie ihn in eine heillose Hoffnungslosigkeit. Die Falten um ihren Mund schienen schärfer geworden zu sein, die Nase spitzer. Sie schminkte sich stärker und begann manchmal, ohne Grund etwas zu laut zu lachen. Ansonsten war sie sehr still und in sich gekehrt, machte sozusagen Dienst nach Vorschrift in allen Belangen ihres Lebens. Dr. Ohio ging ihr aus dem Weg, so gut es ging. Sie würden sich noch einmal unterhalten müssen, das war klar. Selbst wenn Brigitte es für unnötig halten würde, für ihn war es wichtig. Aber er hatte es nicht eilig und hoffte, etwas mehr Klarheit über seine Gefühle zu bekommen.
    Mit Dr. Laudtner genügte ein ziemlich kurzes Telefonat, um klarzustellen, dass Schmidt sein Erbe zurzeit und wahrscheinlich auch zukünftig nicht antreten könne. Genau darüber hatte er mit ihm reden wollen, sagte der Anwalt. Es müsse noch ein Gutachten erstellt werden, dann könne alles seinen juristischen Weg gehen. Wahrscheinlich war er schon dabei, die Verträge für die Stiftung aufzusetzen. Das wurmte Ohio, aber was sollte er machen. Laudtner hatte zurzeit die besseren Karten. Und Värie Wieri sowieso.
    Von Wieri hatte er gar nichts mehr gehört. Erst als Ohio wieder in die Bibliothek kam, um Papiere durchzusehen, hörte er Schritte auf dem Gang und kurze Zeit später öffnete der Calvinist die Tür.
    „Dr. Ohio!“, rief er aufgeräumt. „Guten Abend.“
    „Guten Abend.“
    „Ich sehe, Sie haben die Suche immer noch nicht aufgegeben?“
    „Natürlich nicht. Warum sollte ich?“
    Wieri schien von Ohios zur Schau gestelltem Optimismus irritiert zu sein.
    „Nun, ich dachte ...“, stotterte er.
    „Ja? Was dachten Sie denn?“
    Wieri machte ein verkniffenes Gesicht.
    „Nun ja, dass Sie nach diesem Vorfall endlich grünes Licht geben würden“, sagte er düster. Dann fuhr er eindringlich fort: „Dr. Ohio, die Stiftung muss gegründet werden. Sie müssen doch verstehen, dass jeder Tag, jede Stunde, die Sie mit Ihrer Suche vergeuden, finanzielle und ... spirituelle Folgen hat.“
    Dr. Ohio war nicht in der Laune zu lachen.
    „Höpfner hat der Suche nach den Erben ein halbes Jahr eingeräumt, und wenn wir das vollständig ausschöpfen müssen, dann tun wir das eben“, erwiderte er. „Ich weiß nicht, welche großartigen finanziellen Folgen Sie meinen, nachdem das Geschäft mit den Buchhandlungen schon jahrelang mehr taumelt als läuft. Und an die spirituellen Folgen wage ich nicht einmal ansatzweise zu denken.“
    Wieri funkelte ihn böse an.
    „Kein Grund, überheblich zu werden, Doktor.“
    „Ich werde nicht überheblich. Sagen Sie, auf was Sie hinauswollen, und wir können vernünftig miteinander reden. Auf Ihre Andeutungen kann ich nicht eingehen.“
    „Dr. Laudtner sagte mir, dass Schmidt das Erbe auf keinen Fall antreten kann“, sagte Wieri mit schriller Stimme und starrte Dr. Ohio hasserfüllt an. „Also stehen Sie mir nicht weiter im Weg.“
    Ohio sah ihn erstaunt an und tastete unwillkürlich nach seiner Tasche, in der sich die Pistole befinden sollte. Er hatte sie aber in seine Nachttischschublade gelegt, als er das Jackett zum Reinigen gebracht hatte. Und dann vergessen, sie wieder einzustecken. Das ist doch lächerlich, dachte er. Als ob ich auf einmal nicht mehr unbewaffnet aus dem Haus gehen könnte. Ich habe nicht mal einen Waffenschein.
    „Ich wüsste nicht, dass Dr. Laudtner auch einen Abschluss in Psychologie gemacht hätte, der ihn befähigen würde, solch ein Urteil zu fällen“, sagte er kühl.
    „Dr. Laudtner nicht, aber Dr. Rainer, der Polizeipsychologe“, erwiderte Wieri hämisch. Seine Augen begannen leicht zu tränen und er zog ein zerknittertes Taschentuch heraus, um sie zu trocknen. „Natürlich hat Schmidt auch Glück, denn er kann nicht belangt werden für die Verkehrsunfälle, die er provoziert hat.“
    „Und was ist mit Murnach?“, fragte Dr. Ohio.
    „Wen interessiert der schon?“ Der Calvinist zuckte gleichgültig mit den Schultern und rieb sich wieder die Augen.

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