Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
Ufer.
Tarmak hatte schon vorher losgelassen und offenbar den Zauber gelöst. Jetzt lag er im seichten Wasser.
Poptlok streifte rasch seine Sandalen ab und schlug die Hosenbeine hoch, während er bereits auf ihn zueilte, um ihm aufzuhelfen.
Nymus hörte nicht, was die beiden miteinander sprachen. Zu sehr schockierte ihn der Anblick seines Vaters. Sein Atem wurde flach und eine eiserne Klammer schien seine Brust einzuklemmen, als er am Ufer diesem Mann gegenüberstand und ihn anstarrte. Bleich und dürr, wie der da vor ihm erschien, wirkte er auf ihn im ersten Augenblick wie eine dieser Horrorfiguren, die um Mitternacht aus einem Sarg, dessen Deckel sich schauerlich quietschend öffnete, stiegen und unter den Menschen Angst und Schrecken verbreiteten. Die schwarzen Kleider, vor allem dieser fürchterliche Umhang, machten ihm, obwohl sie durch das triefende Wasser hingeklatscht und verfremdet aussahen, nochmal klipp und klar, dass dieser Mann Schwarzmagier war, einer von denen, die ihn kidnappen wollten. Und nochmal spielte sich die bedrohliche Entführungsszene und die wenige Tage später stattfindende Verfolgungsjagd in seinem Kopf ab. Nochmal spürte er den festen Griff des jungen Magiers auf seiner Schulter, der ihn in den Mercedes drängen wollte, nochmal sah er, wie die Tür von Frau Königs Fahrzeug aufgerissen wurde, fühlte den Schmerz in seinem Gesicht und erblickte das Blut, das aus seiner Nase quoll, nochmal stand er die Angst aus, als Frau König mit ihm und den beiden anderen Insassen ihres Wagens dem Verfolgungsauto entfloh, und nochmal ergriff ihn diese schreckliche Übelkeit.
Der Mann ihm gegenüber schaute ihn nun an. Sein Gesicht war wächsern und blass wie der Tod, mager und faltig. Nur ums Kinn herum zeigte es sich schwarz, dort, wo der Vollbart zu wachsen begann.
Tarmak schien die Gefühle seines Sohnes aufzunehmen. „Nymus, bitte...! Ich bin jetzt kein Schwarzmagier mehr. Schau!“ Er zog den Umhang aus und warf ihn von sich. Dann riss er sich den schwarzen Pullover und das schwarze Hemd vom Leib, das schwarze Unterhemd, die schwarzen Schuhe, das schwarze Taschentuch um sein geschwollenes Fußgelenk, die schwarzen Strümpfe – hier schien ihm sein Tun große Qual zu verursachen; trotzdem lehnte er Poptloks Hilfe ab –, die schwarze Hose, ja sogar die schwarzen Shorts und schmiss alles hinterher. Splitternackt stand er vor seinem Sohn. Nur das Lederband um sein linkes Fußgelenk hatte er an seinem Platz gelassen.
Nymus erschrak, als er den weißen, schwachen, hageren Körper seines Vaters erblickte, an dem man mühelos, wie an dem Skelett in der Schule, anatomische Studien hätte treiben können und der so ganz im Gegensatz zu seinen Vorstellungen stand. Er musste zugeben, dass er sich aus den wenigen Informationen, die er über seinen Vater besessen hatte, in Gedanken ein Bild über ihn gemalt hatte, für das Poptloks Kraft und Vitalität teilweise als Vorbild gedient hatte. Dieses Bild musste er nun fallen lassen.
„Du liebe Zeit, du stehst ja wirklich kurz vor dem Hungertod“, hörte er Poptloks Kommentar. „Aber Nymus wird dich schon wieder aufpäppeln, nicht wahr Junge?“
Nymus stand immer noch wie eingewurzelt und starrte mit entsetzt aufgerissenen Augen auf seinen Vater.
Poptlok trat auf ihn zu und legte ihm den Arm um die Schulter: „So sieht dein Vater normalerweise nicht aus. Du weißt doch, was er durchmachen musste, du weißt doch, dass er sich auf diese Flucht vorbereiten musste. Das hinterlässt Spuren.“ Und dann flüsterte er, dass nur Nymus es hören konnte: „Eine Schlange hat ihn gebissen.“
Das brachte Nymus wieder in Bewegung. Es war ganz egal, wie sein Vater aussah, Hauptsache er lebte und war kein Schwarzmagier mehr. Er rannte auf ihn zu und Tarmak hinkte ihm ein Stück entgegen. Endlich fielen sie sich in die Arme.
Nach einer Weile löste sich Nymus und sagte: „Komm, du musst was anziehen, du wirst ja ganz kalt.“ Rasch schälte er sich aus seinem Zauberumhang, den er Tarmak umlegen wollte.
Doch der wehrte ab. „Ich will mich erst säubern, damit ich wirklich keinen schwarzmagischen Dreck und Schweiß mehr an mir habe. Ich will jetzt ganz frei werden.“
Er nahm Lehm vom Ufer auf und begann sich von oben bis unten damit einzuschmieren. Nymus zog seine Schuhe und die lange Hose aus und watete ins seichte Wasser, um Tarmak zu helfen. Er rieb dessen Rücken und dessen Beine ein, wobei er oberhalb des geschwollenen Fußgelenks die Bisswunde
Weitere Kostenlose Bücher