Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
überlegen gewesen. Das musste er gewusst haben. War sein Tod also eine abgewandelte Art der Selbsttötung gewesen? Oder ein Opfertod? Opfer für wen?
Diese Erinnerungen hatten Tarmak innerlich aufgewühlt. Er legte eine Hand auf seinen Oberbauch, der sich leicht verkrampft hatte. Dann drehte er sich auf seiner Strohpritsche um, um bequemer zu liegen, und atmete einmal tief durch. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich in seine Verwirrung von damals zurückversetzte.
Er hatte nämlich gespürt, dass mit Wolfhards Tod etwas nicht gestimmt hatte. Wolfhard hatte sich völlig resigniert gegeben, hoffnungslos, traurig, gebrochen am Schicksal, seine Familie verloren zu haben und von den Schwarzmagiern nicht mehr loszukommen. Raktar und Xekon hatten sich an seinem Unglück geweidet; sie hatten ihn verachtet. Wolfhard, der zum Dienst in der Bibliothek eingeteilt worden war, nachdem er seine Firma verlassen hatte, hatte sich fast nur noch dort aufgehalten. Wenn er gerade nichts zu tun hatte, starrte er in eins der verschiedenen Bücher vor sich. Aber er las offensichtlich nicht wirklich darin, denn man sah ihn niemals umblättern. Manche Bibliotheksbe nutzer amüsierten sich darüber, dass das Buchzeichen allenfalls eine Seite weitergewandert war, denn am Ende des Abends fanden sie es zwischen den folgenden Seiten.
Kurz vor seinem Tod ergab es sich, dass Tarmak einmal allein mit ihm in der Bibliothek war, da der Abend schon weit fortgeschritten war.
Da sagte Wolfhard jenen denkwürdigen Satz: „Achte darauf, dass du nicht aufhörst zu lieben, und gut wäre auch, wenn es zumindest einen Menschen gäbe, der dich liebt! Aber ersteres ist das wichtigste! So kann dich wenigstens der Teufel nicht holen.“
Wolfhard selbst hatte nicht aufgehört, seine Frau und seinen Sohn zu lieben. Er hatte alles getan, dass sie für die Schwarzmagier unter dem Mantel des Vergessens geschützt waren.
Bei diesen seinen Worten sah er Tarmak voller Liebe und Zuneigung an. Er schien in dem Augenblick alles andere als verzweifelt zu sein. Sein Blick traf Tarmak tief. Der fühlte sich so, als wäre sein längst verstorbener Vater zurückgekehrt und hätte ihn in den Arm genommen und ihm gesagt, dass alles gut für ihn werde. Dann hatte Wolfhard ihn angelächelt. Und Tarmak hatte eine Kraft in sich gespürt, die ihm neuen Mut gegeben hatte, denn er war ja schon immer unglücklich darüber gewesen, Mitglied bei den Schwarzmagiern zu sein.
Tarmak seufzte und starrte in die undurchdringliche Dunkelheit, die ihn in seiner Kerkerzelle ständig umgab. Dann ließ er nochmal Revue passieren, wie er vor drei Wochen, an jenem Unglückstag, über diesen Abend in der Bibliothek nachgedacht hatte.
In ihm war die Gewissheit gewachsen, dass Wolfhard ihn mit einer Art Schutzzauber belegt hatte. Denn Tarmak war nie in die Situation geraten, etwas wirklich Schreckliches tun zu müssen. Sogar bei dem Kampf gegen Poptlok und Zawarima hatte er sich dem Töten entziehen können. Er hatte in sich Dankbarkeit gegenüber Wolfhard gespürt und sich gleichzeitig gewünscht, Menschen wie diesen Mann, Freunde um sich zu haben. Wolfhard war ihm, wenn er es sich recht überlegte, ein väterlicher Freund gewesen. Er war es auch gewesen, der ihn beizeiten ermahnt hatte, die Beziehung zur Geliebten geheim zu halten. Er war zum Glück der einzige gewesen, der ihm seine Verliebtheit angesehen hatte.
Und dann sein Tod. Was für einen Sinn hatte der gehabt? Tarmak war sich an jenem Unglückstag auf einmal sicher gewesen, dass es einen Sinn für diesen Tod gab. Und er hatte gefühlte, dass die Antwort auf diese Frage etwas mit ihm selbst zu tun hatte. Vielleicht war sie der Schlüssel zur Freiheit?
Schon vor einigen Monaten war er in der Bibliothek auf Wolfhards Spuren gestoßen und hatte sie verfolgt. Dabei hatte er das Buch mit dem Schutzzauber entdeckt, den er vor ein paar Wochen über Cordelia gesprochen hatte. Zwischen den Blättern war eine Notiz mit der Signatur eines anderen Werkes gelegen. Neugierig geworden hatte Tarmak jenen uralten Schmöker aus dem Regal geholt und war bei einem Merkzettel auf den Gedankenbotschaftszauber gestoßen. Auf dem Zettel selbst hatte er weitere Signaturen gefunden, die ihn zu dem Wörterbuch und der Grammatik geführt hatten. Wozu hatte Wolfhard am Ende seines Lebens noch diesen äußerst komplizierten Gedankenbotschaftszauber gebraucht, den außer ihm selbst bestimmt niemand kannte, geschweige denn gelernt hatte?
Tarmaks
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