Dr. Poptlok Luktor und das Tor des Lichts (German Edition)
nur wie gewöhnliche Leute eintreten.“
„ Oder wie Räuber, die das Fenster einschlagen?“
„ Das wäre eine böse Absicht, und mit der könnten sie sich, wie schon gesagt, nicht nähern“, beruhigte Herzelind den ängstlich blickenden Nymus. „Weißt du eigentlich, wie spät es schon ist?“ Sie gab gleich selbst die Antwort: „Es ist halb zwölf. Und du bist immer noch im Schlafanzug. Schau, hier sind deine Hose und dein Pullover, die du gestern anhattest. Ich habe sie gewaschen und geflickt. Du kannst sie wieder anziehen, wenn du möchtest.“ Sie wies auf die beiden Kleidungsstücke, die auf Bügel am Schrank hingen.
„ Oh, danke, dass du sie repariert hast“, stammelte Nymus. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft dieser Magier machte ihn ein bisschen verlegen.
Als Herzelind schon hinausgehen wollte, fragte er: „Wem gehört eigentlich dieses Zimmer?“
„Ach, das war das Zimmer unseres Sohnes. Aber jetzt ist er verheiratet und hat selbst zwei Kinder, die manchmal hier übernachten. Unsere Tochter ist auch schon aus dem Haus. - Schau, hier ist das Bad. Mach dich frisch und zieh dich an. Um zwölf gibt es Mittagessen.“
Als Nymus die Wohnküche betrat, saß Rodubert schon am Tisch. Herzelind holte gerade den Gemüseeintopf vom Herd.
„ Na, Bub, hast du ausgeschlafen?“, begrüßte ihn der Professor und lachte. „Zawarima hat vielleicht doch ein bisschen übertrieben, als sie dich gestern in den Heilschlaf versetzte.“
„ Grüß Gott, Professor Rodubert“, sagte Nymus höflich. Als ihm bewusst wurde, was der gerade geäußert hatte, wollte er genau darüber Bescheid wissen: „Was hat Zawarima gemacht?“
Rodubert erklärte: „Der Heilschlaf weckt und stärkt nicht nur die Selbstheilungskräfte des Körpers, sondern verschafft diesem auch Ruhe und Zeit, sie wirken zu lassen. Zawarima meinte wohl, dass die Erlebnisse gestern für deinen Körper und deinen Geist zu viel waren, und hat dir ein paar Extrastunden Freiraum verordnet.“
Nymus Augen wurden groß. „Deshalb habe ich so gut und tief geschlafen. Ich kann mich an keinen Traum erinnern. Dabei hatte ich mich vorher so vor dem Zu-Bett-Gehen gefürchtet, weil ich geglaubt habe, ganz schlimm träumen zu müssen und immer wieder aufzuwachen.“
„ Ja, Zawarima ist eine gute Heilerin. Sie weiß nahezu immer, was der einzelne gerade braucht. - Bevor ich es vergesse: Ich habe hier einen Zauber für dich, den du nach dem Essen bitte auswendig lernst und sofort anwendest. Von dem Gespräch mit deiner Mutter erzähle ich dir anschließend.“ Rodubert schob einen gefalteten Zettel zu Nymus hinüber. „Nein, nicht jetzt anschauen. Nach dem Essen!“
Was für einen Zauberspruch mochte das Papier enthalten? Nymus fühlte sich zapplig. Nervös stocherte er in dem bunten Gemüse herum.
„Eine Fastenkur hat dir Zawarima aber nicht verordnet“, sagte Rodubert trocken.
Nymus wurde rot. Er versuchte, sich auf das Essen zu konzentrieren. Schließlich mochte er rote Paprika, ebenso Karotten, Lauch, Kartoffeln, Zucchini; was war noch drin? Richtig: Linsen, Brennnessel, Petersilie und Schnittlauch. Das Gemüse war noch recht bissfest, genau so, wie er es gern hatte, und der Salat war frisch und würzig, denn er enthielt viele wohltuende, kräftige Kräuter. Auf einmal spürte er, wie hungrig er war. Er begann; nach dem dritten Bissen schmeckte ihm die Mahlzeit richtig gut, so gut, dass er sogar den Nachschlag annahm, den Herzelind ihm anbot. Die freute sich sichtlich darüber. Auch den Nachtisch aus Bananen, Äpfeln und Nüssen genoss er.
Rodubert und Herzelind sprachen während des Essens über einen Vortrag, den der Professor anderntags halten sollte. Er steckte noch mitten in der Vorbereitung.
„ Die Formulierung ist noch nicht ausgefeilt genug. Die kann man sich nur schwer merken“, hörte Nymus den Professor sagen.
„ Lass mich nochmal schauen“, bot Herzelind ihre Hilfe an. „Mir fällt bestimmt etwas Passendes ein, und dann probieren wir den Zauberspruch nochmal aus.“
Nymus war aufmerksam geworden. „Darf ich fragen, was das für ein Zauber ist? Entwickelt ihr denn neue Zaubereien?“
„Manchmal“, antwortete Rodubert. „Hier handelt es sich um einen sehr alten Zauber, der in Vergessenheit geraten ist, weil er so kompliziert war. Ein südamerikanischer Kollege hat mich auf die Idee gebracht, ihn zu verändern und wieder nutzbar zu machen. Es geht darum, wie Personen, die sich nahestehen, ohne Hilfsmittel miteinander
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