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Dr. Poptlok Luktor und die Farben des Glücks (German Edition)

Dr. Poptlok Luktor und die Farben des Glücks (German Edition)

Titel: Dr. Poptlok Luktor und die Farben des Glücks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romana Heßmann-Ziegler
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links je einen runden Wehrturm. So viele Mauern waren gar nicht nötig, denn die Burg lehnte auf der Nordseite an einer steilen Felswand, die bereits guten Schutz bot. Außerdem war die Burg auch nicht besonders groß. Dort ein Falltor. Das war hochgezogen. Man sah nur das untere Fünftel. Die Zugbrücke führte über einen Gebirgsbach, der in der Tiefe toste und schäumte. Jakob tauchte seinen Pinsel in das weiße Farbnäpfchen und mischte dann ein wenig Blau dazu. Natürlich war das Ganze ziemlich eingewachsen von Wald: Tannen, Fichten, Kiefern, Buchen, Birken. Letztere bekamen ein feines, sehr helles Grün, denn die Blätter, die schon ihre schützenden Blatthüllen durchstoßen hatten, waren noch zart und frisch. An manchen Stellen waren die Blätter noch gar nicht durch. Jakob verwendete hier etwas Braun, etwas Rot, etwas Grau, etwas Weiß. Er ging einen Schritt zurück. Ja, so musste es im frühen Frühling im Wald aussehen. Nun noch Büsche und Sträucher, die auch erst so langsam ihr Blattgrün bekamen – und die Tiere: Ein Eichhörnchen lugte um einen Baumstamm und beobachtete den Eichelhäher, der Richtung Burg flog. Ein paar Schafe weideten unten am Bach das junge Gras. Das reichte. Der Himmel fehlte noch. Graublau, da ein wenig heller, dort ein bisschen dunkler. Fertig. Während Jakob den Pinsel ins Wasserglas stellte, schaute er die Schafe am Bach genauer an. Ehe er sich's versah, stand er bei ihnen. Er war so überrascht, dass er einen Schreckensruf von sich gab.
    Die Schafe fuhren zusammen. Verdattert und mit großen Augen starrten sie ihn an. Dem Kleineren von ihnen hing ein Büschel Gras aus dem Maul, und es vergaß weiterzukauen. Dann löste sich erhobenen Hauptes ein braunes Tier aus der Gruppe und stakste langsam, aber drohend auf Jakob zu. Sein kühner Blick und die mächtigen, halbkreisförmig gebogenen Hörner lösten bei Jakob sofort den Fluchtreflex aus. Denn das war bestimmt ein Bock, der keinen Fremden in seinem Revier duldete.
    „Solvo“, rief Jakob. Schon stand er wieder in seinem Zimmer vor dem Schreibtisch. „Na, das mit dem Lösewort klappt ja gut“, atmete er auf. „ Ein Glück, dass ich mit dem Schafsbock nichts weiter zu tun habe! Aber jetzt will ich mal in die Burg.“
    Er sah konzentriert auf den Burgfried und die Treppe, die sich steil nach oben zum Eingang hinaufwand. Schon fand er sich an der untersten Stufe wieder.

Jakob in der Burg
    Jakob stieg die schmale Treppe hoch. Aufmerksam setzte er Fuß vor Fuß. Die Mitte jeder Stufe wölbte sich nach unten wie eine Schale. Viele Füße mussten jahrhundertelang über die Stufen geeilt, geschlendert oder geschlurft sein und sie so ausgetreten haben. Er hielt sich vorsichtig am Holzgeländer fest, denn es zeigte ebenfalls die Spuren eines hohen Alters. Allerdings war es stellenweise sorgfältig erneuert.
    Schließlich stand Jakob vor einer niedrigen Tür aus schwerem, dunklem Holz. Ein Türgriff fehlte. Dafür blinkte in der oberen Hälfte schwarzblau glänzend ein metallener Türklopfer in dem Sonnenstrahl, der gerade eine der dunklen Wolken durchbrach.
    „Ein Glück, dass ich nicht wie Regine und Karli mein Bild in die Nacht gesetzt habe, sondern dass es ein Tagbild ist“, dachte Jakob.
    So konnte er auch die Figur erkennen, die der Türklopfer darstellte: eine Schnecke mit Haus in der Mitte. Jakob war so verblüfft, dass seine Kinnlade nach unten klappte, denn er hatte mindestens einen grimmigen Löwenkopf erwartet mit entblößten Zähnen und keine harmlose Schnecke.
    Gerade als er den Türklopfer betätigen wollte, ruckelte die Tür und schwenkte schaurig quietschend und knarzend wie in Zeitlupe nach innen. Jakob lief es eiskalt den Rücken hinab. Die Härchen auf seinen Armen richteten sich steil auf. Reflexartig wandte er sich zur Flucht, doch dann hielt er inne. Er wollte wissen, wer hier wohnte. Da er jederzeit mit dem Zauberwort „Solvo“ fliehen konnte, gab es keine wirkliche Gefahr für ihn. Also drehte er sich wieder um –  und starrte einem Mann ins Gesicht.
    Der war gerade gedankenversunken mit einem vollen Abfalleimer herausgetreten. Erschrocken riss er seine himmelblauen Augen auf und rief verblüfft: „Himmel, wer ist das denn?“
    Der Mann hatte keine Mütze auf, sondern war barhäuptig. Entsetzt musterte Jakob die bläuliche Glatze, die ein Ring orangeroter, kräftiger Haare umrundete. Das Gesicht schimmerte bleich. Die große, an der Spitze gerötete Nase entließ gerade einige Schnupfentröpfchen,

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