Dr. Sex
allerdings sehr gut. Ich hatte es in einem versteckt gelegenen Laden gekauft, dessen schmutziges Schaufenster mit der Aufschrift K UNST & A NTIQUITÄTEN von einer anfallsmäßig blinkenden Kette roter und grüner Glühbirnen erleuchtet wurde. In dem Geschäft waren noch zwei andere Kunden, die es schafften, so auszusehen, als wären sie schon immer da. Stumm und ernst, mit gesenkten Köpfen und auf den Rücken gelegten Händen, beugten sie sich über die Waren und betrachteten sie mit wehmütigen Blicken. Es war heller Nachmittag, und draußen schien eine blasse Sonne, doch drinnen herrschte Dämmerlicht, und es war beinahe so kalt wie auf der Straße. Jeder von Ihnen ist schon einmal in diesem oder einem ähnlichen Laden gewesen: Der Besitzer ist ein dürres Männlein mit Kippa, die Teppiche mit den orientalischen Mustern sind abgetreten, gewundene Pfade führen zwischen hohen Wänden aus schweren, geschnitzten Möbeln hindurch, auf denen sich Massen von Nippes aus dem alten Europa türmen, und es riecht nach Silberputzmittel und Tod. Mit Hilfe des Besitzers, der mir versicherte, das Ding sei das Doppelte seines Kaufpreises wert, entschied ich mich schließlich für einen Aschenbecher. Dieser war aus einer Schneckenmuschel gefertigt, in deren Öffnung eine fünfzehn Zentimeter große Bronzefigur einer nackten Aphrodite mit ondulierten Haaren und straffen Brüsten befestigt war. Ich ließ ihn als Geschenk verpacken und machte mich schleunigst auf die Suche nach dem Bahnhof.
Kurz nach Neujahr waren wir wieder unterwegs – mehr Vorträge, mehr Geschichten, das Tempo wurde immer hektischer –, aber Weihnachten war wirklich ein Ereignis. Nachts hatte es überraschend geschneit, und im Haus in der First Street gab es ein festliches Essen für das ganze Team und die Kinder. Mac war so liebenswürdig wie immer, Violet und Hilda hatten die Süßspeisen zu Hause zubereitet und brachten sie in zugedeckten Schüsseln mit, und Prok hatte einen heißen Rumpunsch gebraut und tranchierte einen Zwanzig-PfundTruthahn mit der Routine eines Meisterkochs. Das Team hatte zusammengelegt, um ein Geschenk für ihn zu kaufen – goldene Manschettenknöpfe, die er für zu protzig hielt –, und dann überreichte Prok uns seine Geschenke.
Ich sollte hier erwähnen, daß Prok, der in manchen Kreisen als geizig galt (er war tatsächlich sehr genügsam und manchmal regelrecht knickrig, denn er steckte jeden Cent, den er bekommen konnte, in das Projekt), zu Weihnachten überaus freigebig und spendabel war. Alle Angestellten – die Bürohilfe, der Hausmeister, ja sogar die Studentinnen, die seine Gallwespen-Sammlung katalogisiert hatten – erhielten ein Weihnachtsgeld. Als erstes Mitglied seines Teams, als sein Vertrauter und Adjutant profitierte ich oft von seiner Großzügigkeit, doch das Geschenk, das ich an jenem Weihnachtstag erhielt, war größer als alle, die ich je von ihm bekommen hatte.
Nach dem Essen gab es ein kleines musikalisches Zwischenspiel, und danach setzten wir uns wieder an den Tisch, wo wir Minz- und Kürbispastete aßen und das Gespräch sich für mehrere Minuten anderen Themen als Interviews und Sexualwissenschaft zuwandte. Prok machte mir ein Zeichen, ich solle ihm in die Küche folgen. Zunächst dachte ich, er brauche Hilfe mit dem Likörtablett oder irgendeinem Nachtisch für die Kinder, doch das war nicht der Grund. Kaum hatte ich die Tür hinter uns geschlossen, da fuhr er herum, nahm mich in die Arme und zog mich an seine Brust. Ich fühlte mich unbehaglich, umarmte ihn aber ebenfalls. Der steife Stoff seiner Fliege bohrte sich in meinen Kragen, und seine Bartstoppeln kratzten meine Wange. Durch die Kleider hindurch spürte ich seine Energie, als er mir mit beiden Händen auf die Schultern klopfte und murmelte: »Ich bin stolz auf dich, John, sehr stolz.« Er ließ mich los und schaltete sein Lächeln ein. »Jetzt wirst du Vater, hm?« sagte er. »Keine Probleme? Alles normal?«
Ich nickte. Lächelte zurück. Innerlich glühte ich.
»Tja, dann werdet ihr bald mehr Platz brauchen, meinst du nicht? Irgendwas deiner Position Entsprechendes.« Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Ein Haus, John. Ich spreche von einem Haus.« »Aber ich ... Wir können uns das nicht leisten ...«
Er verschränkte die Arme, sah mich an und grinste breit. »Ab sofort erhöhe ich dein Gehalt um zehn Dollar pro Woche, und ich bin bereit, dir ein persönliches Darlehen in Höhe von zweitausend Dollar zu geben – aus meiner eigenen
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