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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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ebenso schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Der verzweifelte Mann hatte die Einzelteile seiner Gattin wieder abgeholt und wollte wissen, warum man sie nicht obduziert hatte.
    Weil er das grelle Neonlicht nicht ausstehen konnte, las er Dtuis Berichte bei Kerzenschein. Ihre Aufzeichnungen waren ordentlich und präzise, und sie hatte ihre Schriftgröße verdoppelt, damit Siri alles lesen konnte. Er lachte über die Schilderung ihres Besuchs in Silver City und ihre Beschreibung des dicken Russen »mit einem Kopf wie rohe Nudeln«. Sie war eigentlich viel zu schade für diese drögen Obduktionsberichte.
    Er las ihre Vermutungen hinsichtlich der Ähnlichkeiten zwischen den beiden vorangegangenen Attacken und dem Mord an Frau Ounheuan. Obwohl Dtui zweifellos das Zeug zu einer exzellenten Pathologin hatte, würde daraus wohl nichts werden. Das Gesundheitsministerium dachte gar nicht daran, einer einfachen Laborantin eines seiner kostbaren Sowjetstipendien zu gewähren. Zwischen einem
Schwesterndiplom und einem abgeschlossenen Medizinstudium lagen Welten, außerdem kamen, ob zu Recht oder zu Unrecht, vor allem Parteimitglieder in den Genuss solcher Privilegien. Sie war zwar intelligent, würde den osteuropäischen Lehrbüchern jedoch vermutlich auch nach einem Jahr kaum einen Sinn abringen können.
    Er wollte eben die Zahnabdrücke aus der Schublade holen, als er im Flackern der Kerzenflamme dieselbe alte Frau an Dtuis Schreibtisch sitzen sah. Er fuhr zusammen. Sie kaute auf ihrer Betelnuss herum, und roter Speichel rann ihr wie Blut das Kinn hinab. Obwohl er vor den Geistern schon lange keine Angst mehr hatte, jagten sie ihm bisweilen immer noch einen gehörigen Schreck ein, wenn sie so unvermittelt erschienen. Diese alte Frau tauchte seit Wochen unangemeldet im Büro auf. In all der Zeit hatte sie immer bloß gekaut.
    »Wenn Sie Hilfe brauchen«, sagte er mit ruhiger Stimme, »müssen Sie mir schon ein Zeichen geben.«
    Doch sie rührte sich nicht. Er kannte sie weder vom Seziertisch, noch war er ihr zu ihren Lebzeiten begegnet. Sie trug einen laotischen phasin und eine ärmellose weiße Bluse. Leider ließ sich daraus nicht auf ihre Herkunft schließen. Die Frauen im Land trugen diesen Stil schon seit Jahrhunderten.
    »Wie Sie wollen, meine Liebe. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Ich habe noch zu arbeiten. Melden Sie sich einfach, wenn Sie etwas brauchen.«
    Er lächelte, und zu seinem Erstaunen lächelte sie zurück. Es war ein blutiges Lächeln, das die fünf, sechs schwarz gefleckten Zahnstümpfe entblößte, die ihr die Betelsucht gelassen hatte.
    »Na dann, tschüs.«

    Bevor er nach Hause ging, schaute Siri rasch bei Wachtmeister Nui vorbei, der den Doktor für seinen längst verstorbenen Vater zu halten schien. Seine Frau saß in Tränen aufgelöst auf seinem Bett.
    »So ist er schon den ganzen Tag, Doktor. Mich hält er für seinen Hund.«
    Siri untersuchte ihn kurz.
    »Ich würde mir an Ihrer Stelle keine allzu großen Sorgen machen«, sagte er. »Es ist vermutlich nur eine Gehirnerschütterung. In ein paar Tagen klingen die Symptome ab, und er kann wieder klar denken. Seine Reflexe sind intakt. Das ist ein gutes Zeichen. So etwas braucht Zeit.«
    »Das hat Inspektor Phosy auch gesagt.«
    »Er war hier?«
    »Ja, vor einer Weile. Er wollte von Nui wissen, was im Ministerium geschehen war, bevor der Unfall passierte.«
    »Nun ja, solange er nicht selbst dorthin geht.«
    »Aber genau das hatte er vor. Er wollte sich mit einem kräftigen Abendessen stärken, um irgendeine Kiste zu öffnen.«
    »Um Gottes willen, nein.«
    Siri war schneller aus dem Zimmer, als es sich für einen knapp Dreiundsiebzigjährigen geziemte. Nuis Frau und ihre Schwestern sahen sich ungläubig an.
    Nui blickte auf.
    »Tschüs, Vater.« Dann funkelte er seine Frau wütend an. »Und du. Habe ich dir nicht gesagt, dass du auf dem Bett nichts verloren hast?«
     
     
    Dtui hatte lange genug gewartet. Sie gehörte nicht zu der Sorte Mädchen, die sich mitten in der Nacht an dunklen Straßenecken herumtrieben. Sie war um neun Uhr mit Phosy
verabredet gewesen. Jetzt war es zwanzig vor zehn, und das war selbst für laotische Verhältnisse zu viel.
    Sie fragte die Nachbarn nach dem Weg und stand kurz darauf vor einem schönen Haus, das die Aura des alten Regimes verströmte. Knarrend ging das hohe Holztor auf, und Dtui trat in den Hof. Ein zutraulicher kleiner Hund kam angelaufen und fand sofort Geschmack an ihren Waden. Sie achtete sorgfältig

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