Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
vergewissern, dass sich keine Eindringlinge in seinem Revier befanden. Doch in dieser Hitze mit vollem Magen abgestandenen Urin zu schnüffeln verursachte ihm Übelkeit.Vermutlich waren seine Hundesinne deshalb nicht so fein wie sonst, andernfalls hätte er die Bewegung auf dem Hof eigentlich bemerken müssen, bevor ihm der Duft in die Nase stieg. Aber der Duft war unverkennbar.
Er hatte noch nicht allzu oft Gelegenheit gehabt, Schokolade zu probieren. Sie war ein so seltener Luxus, dass es nicht einmal im Lane Xang Hotel welche gab. Doch einmal, als Welpe, hatte er von einer reichen Dame aus dem Ausland ein Stück bekommen, und seitdem war er süchtig nach dem braunen Zeug. Er war der Dame kilometerweit gefolgt, bis sie ihn schließlich abgeschüttelt hatte, aber der Geschmack begleitete ihn bis heute.
Auf seinen zweiten Fix hatte er fünfzehn Jahre warten müssen. Kurz nachdem er mit Siri hierhergezogen war, hatte ihn der zarte Duft von Schokolade eines Tages an der Nase aus dem Tiefschlaf gerissen. Er trottete zum Gartentor der Nachbarn – deren Kinder besser aßen als der Präsident – und sah die Gören genüsslich an Schokoriegeln knabbern. Sie triezten und foppten ihn, streckten ihm ein Stückchen hin und zogen es dann wieder weg.
Es war mehr, als er ertragen konnte. Und so heuchelte er Desinteresse, spannte seinen Nacken wie eine Feder, und just als der Junge den Riegel wieder wegziehen wollte, schnappte er danach. Das Bürschchen konnte seine Hand gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Er ließ den Riegel fallen, und Saloop trug seine Beute siegreich von dannen.
Das war jetzt vierzehn Tage her, und seitdem wartete er auf eine Gelegenheit, von Neuem an seine Lieblingsdroge zu gelangen. Jetzt war sie da. Das Tor stand offen, und eines der Kinder hatte einen halben Riegel Schokolade auf dem Gartenweg liegen lassen, wo er in der heißen Sonne schmolz. Es war ein Klacks. Hinterher würde es ihm vermutlich hunde- … nun ja, jedenfalls elend gehen, aber wer je an einer Sucht gelitten hat, der weiß, dass man dagegen machtlos ist.
Langsam schlich er den Weg entlang, lauschte mit gespitzten Ohren auf die Geräusche im Haus, doch an einem so heißen Tag wie heute wagte sich kaum ein Mensch ins Freie. Und plötzlich lag sie direkt vor seiner Nase. Er sog den köstlichen milchig-süßen Duft in seine Nüstern, tauchte die Zunge in die klebrige Paste und schleckte sie schmatzend auf.
Schöner konnte das Leben gar nicht sein: ein Häuschen im Grünen, ein fürsorgliches Herrchen, die Liebe einer rassigen Hündin – und Schokolade. Einen Moment lang überlegte er, ob er je glücklicher gewesen war.
19
DIE SUCHE NACH DTUI
»So’ne Dicke?«
»Eher kräftig, würde ich sagen.«
»Ja. Die war hier. Wissen Sie, wo sie arbeitet?«
»Wozu wollen Sie das wissen?«
»Für das RR29.«
»RR29?«
»Das Formular, das bei polizeilichen Meldungen durch andere Behörden auszufüllen ist.«
»Was hat sie denn getan?«
»Widerrechtliche Aneignung von Regierungsdokumenten. Ich muss herausfinden, wo sie arbeitet, bevor die nötigen Schritte eingeleitet werden können – vor allem, weil sie genau genommen nichts gestohlen hat. Also, wissen Sie’s?«
Der Mann saß an einem kleinen Schreibtisch in einem ebensolchen Zimmer, das derart mit Papierstapeln und Aktenkisten vollgestopft war, dass ein Streichholz genügt hätte, um das gesamte Gebäude im Handumdrehen in Asche zu legen.
So war das also, dachte Siri und betrachtete die chinesisch anmutenden Züge eines Gesichts, das nach und nach die Form und Farbe eines Blattes Papier anzunehmen schien.
Hier also landeten all die drei- und vierfachen Durchschläge. Hunderte von Parteikadern bearbeiteten eine endlose Flut von Dokumenten und reichten sie an andere Papiergesichter in anderen Büros weiter, bis sie schließlich in einem Kabuff wie diesem verschwanden. Welch ein System.
Er befand sich in der Registratur der Justizvollzugsbehörde. Der einzige Termin, der für heute in Dtuis Kalender vermerkt war, lautete:
8.30 Uhr JUSTIZVOLLZUGSBEHÖRDE
»Also, wissen Sie’s?«
»Was?«
»Wo sie arbeitet?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung.«
»Und woher wussten Sie dann, dass sie hier gewesen ist?«
»Das haben Sie mir doch gerade selbst gesagt.«
»Und wie sind Sie auf uns gekommen?«
»Sie standen auf meiner Liste. Wir ermitteln gegen die Frau. Sie hat so etwas schon einmal versucht.«
»Wer ist wir?«
Siri zog sein zerfleddertes
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