Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
stummes Signal verstanden, was irgendwo dort oben seinen Ursprung hatte.
Sie waren im Anmarsch.
Lena fragte: »Ist Vater bei denen da draußen?« Antonia zuckte leicht zusammen und hoffte im selben Moment, dass die Kleine es nicht mitbekommen hatte. Entschieden schüttelte sie den Kopf. Bevor Martin sich vor das schmale Fenster geschoben hatte, konnte sie einen ziemlich guten Blick auf den älteren Herrn mit dem wirren grauen Haarkranz werfen, der sich mit geballten Fäusten vor- und zurückwiegte und aus dessen entstelltem Gesicht dicke Fäden dunkelroten Blutes auf den weißen Schnee zu seinen Füßen tropften. Dicke blutige Krokodilstränen, aus Augen, die geistlos und blind zu ihnen herüberstarrten. und doch erfüllt waren von einer beinahe kochenden Boshaftigkeit. Nein, das musste Lena wirklich nicht sehen.
Das junge Mädchen nickte stumm und versuchte ein Lächeln, was allerdings ziemlich missglückte. Dann drehte sie sich um und setzte sich wieder in Richtung Kirchenschiff in Bewegung, wo auf einer Bank noch immer Peter Singer saß. Er hatte die Dreiergruppe am Beobachtungsposten seit einer Weile aus aufmerksamen Augen beobachtet. Nun lächelte er Lena aufmunternd zu. Ihr Gang wirkte auf eigenartige Weise steif und puppenhaft. Ein bisschen wie bei den Dingern da draußen.
»Herr Singer?«, begann Lena schüchtern.
»Peter, bitte«, sagte Singer und rang sich ein erneutes Lächeln ab. Es ging diesmal sogar etwas besser, als er sah, wie das Mädchen nickte. Ihre großen blauen Augen wirkten ruhig und gefasst. Armes, kleines Ding.
»Es wird alles wieder gut, oder?«
Ihr Blick schweifte von Singer zu der Stelle, wo sie ihren Bruder vermutete, doch der Platz vor dem Altar war leer. Suchend glitt ihr Blick eine Weile durch das Kirchenschiff, dann sah sie ihn zwischen den Kirchenbänken ein paar Reihen weiter vorn sitzen. Singer folgte ihrem Blick – Christian hatte sich Rotz und Tränen aus dem Gesicht gewischt und machte insgesamt einen etwas gefassteren Eindruck. Es schien, als hätte er inzwischen den Großteil seiner Selbstkontrolle wiedererlangt. Als er den Blicken der zwei begegnete, legte sich zögerlich ein schiefes Lächeln auf sein Gesicht. Schließlich stand Christian auf und schlurfte auf seine Schwester und Singer zu. Dann blickte er dem Wissenschaftler fest in die Augen und sagte schließlich: »Danke. Für die Schiene, meine ich. Ich wollte bestimmt nicht unhöflich sein, es war halt nur … die Schmerzen. Und dann das da draußen. Der Schock.« Er fröstelte, schniefte leise und deutete mit dem Kopf zum Kirchenportal.
»Kein Problem, gern geschehen«, sagte Singer und atmete hörbar aus. Der Junge hatte sich gefangen. Ein Lichtblick, wenn auch nur ein kleiner.
»Christian«, stellte sich der Junge vor und nickte ihnen zu. Dabei lächelte er und irgendwie verlieh das seinen weichen Zügen sogar etwas recht Sympathisches. Lena stellte sich zu ihm und legte ihren Kopf an seine Schulter. Einmal mehr fiel Singer auf, wie verblüffend ähnlich sich die beiden sahen, beinahe wie eineiige Zwillinge, obwohl der Junge etliche Jahre älter als seine Schwester sein musste. Singer stand auf, entschuldigte sich und ging zum Eingangsportal, wo Antonia und Martin immer noch die Dunkelheit draußen vor der Kirche beobachteten. Die Geschwister blieben bei der Bank zurück, Christian setzte sich und sie begannen wieder, sich leise zu unterhalten. Als Singer sich von den beiden entfernt hatte, verstummten sie für eine Weile und schauten still zu dem gekreuzigten Heiland, wobei Lena die schmalen Hände um Christians Linke gefaltet und ihren Kopf demütig nach unten gesenkt hatte. Sie betete, und auch Christian hatte den Kopf gesenkt. Daher bemerkte Singer
Weitere Kostenlose Bücher