Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Jesus, sei unser Gast …
Nein, überlegte er. Gott der Herr war jetzt nicht bei ihm. Gott war oben, in den Wäldern, auf den Bergen, selbst in den Felsschluchten – überall dort, wo die Luft und das Licht hingelangten. Hier unten war er nicht. Aber hier unten war vielleicht etwas Anderes, ein schwarzer Schatten, der ihm im Traum erschienen war. Etwas, dass so furchtbar war, dass sogar Gott seine Augen davor verschloss.
Vielleicht, weil selbst Gott diesen Schatten fürchtete.
Nachdem er etwas trockenes Brot und Käse heruntergewürgt hatte, schraubte er den Verschluss der kleinen Wasserflasche auf, während er sie zwischen seine Beine klemmte. Der winzige Schluck genügte kaum, die Reste seiner Mahlzeit hinunterzuspülen, geschweige denn, seinen Durst zu stillen.
Dann war die Wasserflasche leer.
Noch immer zitternd kam Suter auf die Beine, beziehungsweise auf die Knie, denn größere Bewegungsfreiheit ließ der Durchmesser des Lochs ohnehin nicht zu. Er knipste die Betty wieder an, hockte sich in der Finsternis an die Felswand und schaute sich um.
Da ein weiterer Abstieg nun keine Option mehr war, leuchtete er stattdessen in das Felsloch hinein, halb in der Erwartung, eine weitere Sackgasse zu sehen, jene, die sein Schicksal endgültig besiegeln würde.
Stattdessen führte der kreisrunde Gang jedoch tiefer in den Fels hinein, seine Wände spiegelglatt und im immer gleichen Durchmesser wie von einer Bohrung. Und das musste es sein! Dies hier war mitnichten eine natürliche Höhlung, wurde dem Alten klar, jemand hatte den Tunnel absichtlich in den Fels gebohrt. Menschen?
Er hätte sich dieser Hoffnung nur allzu gern hingegeben, doch er erinnerte sich an das merkwürdige Symbol, welches sein Blick gestreift hatte, bevor er in die erschöpfte Ohnmacht gefallen war. Er leuchtete an die Stelle in der Decke, an der er es vermutete. Es war noch da, am Scheitelpunkt der Höhlung in den Fels geschlagen, so präzise und unnatürlich wie der gesamte, schnurgerade Gang. Er strich mit seinen blutig geschabten Fingerkuppen über das Symbol und spürte – gar nichts. Keine Erhöhung oder Einkerbung im polierten Stein. Als er es näher betrachten wollte, begann sich ein dumpfer Schmerz hinter seiner Stirn zu regen und Tränen stiegen in seine schmerzenden Augen. Das hörte auf, sobald er in eine andere Richtung blickte. Merkwürdig, dachte der Alte, und drehte sich zurück in den Gang, um tiefer hinein zu kriechen.
Merkwürdig. Aber im Moment nicht weiter wichtig.
Er entdeckte noch mehrere dieser fremden Symbole und sie alle schienen keinerlei räumliche Dimension zu haben, so als wären sie auf den Fels gemalt. Wenn er sie ansah, begannen seine Augäpfel zu schmerzen, so als versuche jemand, sie aus seinem Kopf heraus zu drücken und eine Schwermut erfasste ihn, als sprächen die Symbole zu den dunkelsten Bereichen seiner Seele, so als suchten sie in seiner Erinnerung gezielt nach den Momenten des Verlusts und der Verzweiflung ...
Aber das war natürlich Blödsinn. Es waren einfach nur Markierungen, welche die unbekannten Tunnelgräber zurückgelassen hatten.
Wer immer sie auch sein mochten.
Also sah er die Symbole einfach nicht mehr an. Die Fremdartigkeit der Markierungen, und der schnurgerade Gang, welcher sich kilometerweit in den Fels zu erstrecken schien, hätten den Alten an jedem anderen Tag über alle Maßen in Erstaunen versetzt. Vielleicht wären sie ihm entsetzlich alt vorgekommen und fremd und feindselig. Aber nicht heute. Heute war er viel zu sehr mit dem verzweifelten Versuch beschäftigt, noch etwas länger am Leben zu bleiben.
Nach einer Zeit, die er selbst auf etwa eine halbe Stunde schätzte, kam sein kriechendes Vorwärtskommen zu einem abrupten Halt. In dem,
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