Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
worden und schließlich hatte sie den schreienden, sabbernden Irren, der aus ihm geworden war, von seinen Leiden erlöst. Sie hatte getrauert, aber er hatte ihr gegeben, was sie von ihm hatte haben wollen.
Tyssa schämte sich ihrer Tränen nicht, als sie das Neugeborene aus seiner Wiege nahm und es dem Priester reichte. Er wickelte es mit geschickten Händen in ein Lumpenbündel und während er das tat, schnappte das Kleine nach seinem Zeigefinger und legte eine winzige Hand darum. Der Priester ließ es milde lächelnd geschehen, und legte das Kind dann in einen Weidenkorb. Tyssa sandte ihm ein Bild: »Bring ihn weit fort.«
Der Priester nickte. Er wusste, dass die Soldaten auch das Kloster am Fuße des Berges durchsuchen würden, wenn sie hier oben mit ihr fertig waren. Aber dann würde der Priester mit ihrem Kind hoffentlich schon über alle Berge sein. Weit fort.
»Du weißt, was zu tun ist?«, dachte Tyssa und zeigte dem Priester ein Bild des Buchs. Auch dieses steckte bereits in den Falten seines orangen Gewandes. Es war jenes Buch, das Tharek einst aus den versinkenden Ruinen von Atlantis gerettet hatte, und dieses Buch war alles, was geblieben war von dem Wissen seiner einst so mächtigen Bewohner.
Sie waren Götter gewesen, einst. Und nun waren sie alle tot.
Der Priester nickte: »Er wird die alten Lehren wissen. Und er wird hinausgehen und sie verbreiten.« Auch wenn er in der Hochsprache seines Volkes sprach, klang die Stimme rau und barbarisch in Tyssas Kopf. Kehlige, gurgelnde Laute, kaum mehr als die Geräusche von Tieren in ihren empfindlichen Ohren.
»Geh nun«, forderte sie den Priester auf und dieser erhob sich von dem Felsboden, auf dem er gekniet hatte. Für einen Augenblick hob er den Kopf und wagte für einen Moment, in ihr Antlitz zu blicken. Als er ihre Tränen sah, wandte er den Blick schnell wieder ab.
Dann drehte er sich um und verschwand in dem schwarzen Loch, das tiefer in den Felsen führte, so, wie er gekommen war. Dieser ist ein Wahrhaftiger, dachte Tyssa, als er verschwunden war, ein Weiser und ein Suchender, auch wenn er nur ein Mensch ist. Und er wird meinen Sohn beschützen. Mein Sohn wird leben, dachte sie.
Und ich hoffe für deine Rasse, dass er lange genug lebt, um seinen Zweck zu erfüllen, wie ich meinen Zweck erfüllt habe, und die Alten vor mir. Er ist das letzte Geschenk meiner sterbenden Rasse an euch, in der dunklen Stunde, die euch bevorsteht. Wenn ihr ihn verliert, verliert ihr alles.
Tyssa materialisierte einen kleinen Felsbrocken, der die schwarze Höhlung verschloss, dann ließ sie den Gesteinsblock mit dem Berg verschmelzen. Der Weg, den der Priester gegangen war, würde für alle Zeiten versperrt sein.
Von draußen drangen die ersten Stimmen der Soldaten an ihr Ohr. Nur wenige hatten den Marsch bis zur Spitze des Kailash überlebt. Aber diese wenigen waren genug. Sie war müde, so müde.
Tyssa atmete tief ein, drehte sich zum Eingang der Höhle und bereitete sich auf ihren Tod vor.
Erwachen
5. November, Q-Station des Krankenflügels der Militärlabore des Murnauer-Instituts, Truppenübungsplatz Sachsenwald, Deutschland
D r. Peter Singer war wirklich fest entschlossen, seine verklebten Augenlider zu öffnen. Das Unternehmen gestaltete sich in der praktischen Durchführung allerdings weitaus schwieriger als anfangs von ihm angenommen. Zunächst pulsierte da ein unbestimmt pochender Schmerz in seinem Schädel. Einer von der Sorte, die einen glauben lassen, die im Kopf befindliche Hirnmasse hätte sich in einen klumpigen, zähen Brei verwandelt, in dem ein wild gewordener Specht gerade auf Insektenjagd geht. In Singers Fall handelte es sich um einen großen und ausgesprochen hungrigen Specht.
Ein Zustand, der durch neue Sinneseindrücke, so fantastisch sie auch
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