Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
sonntags ohnehin traditionell gemeinsam machten. Wie eine richtige kleine Familie , pflegte Singer dann stets grinsend zu sagen, und bis zu jenem Morgen hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würden sie diese Tradition noch eine Weile pflegen.
Er war, lediglich mit einem T-Shirt, Unterhose und einer immer noch recht ansehnlichen Erektion bekleidet, nach unten gegangen und hatte Anna auf der Couch in der Diele vorgefunden, eingehüllt in ihre Decke wie ein frierendes Kind, obwohl die ersten Sonnenstrahlen das Zimmer bereits durchfluteten. Ihr Körper hatte sich eiskalt und fremd angefühlt. Kühl und merkwürdig klamm, wie etwas, das die Nacht über draußen im Garten gelegen hatte. Nur ihre Wangen glühten rot, als wäre sie von einem heftigen Fieber befallen. Das Schlimmste war allerdings ihr Blick, der leer und stumpf auf die gegenüberliegende Wand gerichtet war – bei diesem Blick war Singer auf der Stelle jede Lust an körperlichem Vergnügen vergangen. Ihre fragenden Augen hatten durch ihn hindurch geblickt und sie hatte leise zu schluchzen begonnen, als er sie in seine Arme zog. Er hielt ihren schlanken Körper an sich gepresst, und während er dies tat, konnte er spüren, wie die Feuchtigkeit ihrer erhitzten Wangen durch den Stoff seines T-Shirts drang. Gott, wie lange saß sie schon hier unten und weinte?
Wäre Singer in diesem Moment ihrem verwirrten, traurigen Blick begegnet, hätte er vielleicht den Eindruck bekommen, dass sie einen winzigen Teil ihrer Persönlichkeit zurückgelassen hatte in dem Traum, aus dem sie soeben erwacht war. Und er hätte sich vielleicht gefragt, wie lange schon seine junge Ehefrau nächtliche Wanderungen durch das Haus unternahm.
Irgendwann war Antonia die Treppe heruntergetapst gekommen, völlig vertieft in munteres Geplapper mit ihrer Puppe. Anna hatte tapfer ihre Tränen fortgewischt und Singer ein Lächeln geschenkt, das beinahe echt wirkte.
Der darauffolgende Winter war so ungefähr der Zeitpunkt gewesen, an dem der Wasserpegel kaum merklich, aber unaufhaltsam zu steigen begonnen hatte, sozusagen. Die Dinge hatten sich Stück für Stück vom Ufer gelöst, waren in den Fluss gefallen und wurden rasch davongetrieben, von einer immer stärker werdenden Strömung. Zuerst waren es winzig kleine, kaum merkliche Stücke gewesen. Treibgut, nichts Nennenswertes, kleine Blätter und Stöckchen, die den Fluss hinabdümpelten. Doch dieser Fluss hatte allmählich Fahrt aufgenommen und über die Jahre immer größere Brocken aus Annas Seele mitgerissen. Er war zu einem breiten Strom angewachsen und zum Schluss hatte er ganze Landstriche überflutet. Und sie waren voneinander weggetrieben, letztlich nur zusammengehalten von der lächerlichen Schmierenkomödie, die sie ihrer Tochter vorspielten. Die sie ihr fast zehn Jahre lang vorgespielt hatten, bis die Masken der Schauspieler so dünn wie Pergament geworden waren und ihnen die Schminke in großen Stücken von den Gesichtern bröckelte wie Putz von einer schimmeligen Fassade.
Zum Schluss war Anna eine andere gewesen, verbi ttert und mürrisch, mit tiefen Sorgenfalten um die Mundwinkel ihrer ehemals vollen Lippen. Graue Strähnen hatten ihr stumpfes, ungepflegtes Haar durchzogen. Aus sympathischen kleinen Eigenheiten waren Ticks geworden und aus den Ticks schließlich Neurosen. Sie wanderte nun immer öfter ziellos durch das Haus, auch tagsüber. Sie vergaß Dinge, und in der Wohnung machte sich eine Schmuddeligkeit breit, derer Singer nur mit einer Putzhilfe Herr wurde. Irgendwann kam auch die nicht mehr. Sie hatte Anna eine geschlagene Stunde durch die verschlossene Badtür weinen hören.
Es war nicht so, dass Singer seiner
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