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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Stillen zu sich, der Thronfolger Nepals. Der Sohn des Königs. Ich werde es schaffen. Was auch immer getan werden muss, ich werde es tun. Ich werde der Junge sein, der den größten aller Drachen getötet hat. Und wenn nicht, dann werde ich der sein, der es versucht hat.
    Der Eingang der Höhle war in der Schwärze der Nacht kaum auszumachen. Aber jetzt sah Jumar das schwache, schimmernde Leuchten, das aus ihrem Schlund drang. Die Farben des Drachen verbreiteten ein eigenes, gedämpftes Licht. Ein Licht, nicht stark genug, um Schatten zu werfen, zum Glück. Jumar atmete tief durch.
    »Viel Glück«, wisperte Christopher, als sie die Höhle erreicht hatten. Da trat Jumar zu ihm, um ihn zu umarmen. Es kam ihm lächerlich vor, aber außer ihnen sah es ja niemand.
    Er umarmte auch Niya, ganz kurz nur, doch in dieser einen Sekunde drückte er sie so fest an sich, wie er konnte. Er spürte ihre Wärme und das Leben, das von ihr ausging, und er spürte, dass auch sie ihn gerne noch ein wenig länger festgehalten hätte, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte – spürte ihre Hoffnung und ihre Angst gleichermaßen.
    Sie sagte nichts, und er ließ sie los, und dann drehte er sich um und betrat die Höhle des Drachen.
    Dunkelheit.
    Licht.
    Farben.
    Grün. Blau. Türkis. Violett. Golden.
    Eis unter Jumars Füßen. Hart. Glatt. Kalt.
    Dann dieses Rascheln. Wie von winzigen Flügeln. Tausend und Abertausenden.
    Er sog all dies in sich ein, denn vielleicht war es das Letzte, was er sah, was er spürte, was er hörte.
    Der glimmende Körper vor ihm drehte sich um, reckte seinen Hals und betrachtete ihn von dort oben aus mit seinen glühenden Augen.
    Und der Drache sah ihn an. Er sah ihn an.
    Er blickte nicht einfach nur in seine Richtung. Jene Augen, die es nicht gab, die nichts waren als bodenlose, glühende Löcher, sahen das Unsichtbare.
    Jumar wollte das Gewehr heben, doch er wusste, dass es sinnlos war, und er legte es auf den Boden zu seinen Füßen.
    Und dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte.
    Der Drache sprach zu ihm. Seine Stimme war leise und sanft wie die Farben der Blumen, die er in seinem Körper vereint hatte.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte der Drache. »Seit Anbeginn meiner Existenz.«
    Jumar erschrak. »Du hast gewusst, dass ich kommen würde?«
    »Nein«, sagte der Drache. »Aber ich habe dennoch gewartet.« Der Drache erhob sich und knisterte wieder mit seinen Flügeln. Er machte einen Schritt auf Jumar zu, und Jumar wollte zurückweichen. Doch er blieb stehen. Eine fremde Macht hatte seine Füße fest im Boden verankert. Es war wie in einem dieser Albträume, in denen man fortlaufen will und nicht von der Stelle kommt.
    Und dann wacht man auf.
    Aber Jumar träumte nicht. Und er würde nicht aufwachen.
    Er war hier, und über ihm pendelte auf dem langen, grazilen Hals der Kopf des größten, ältesten und mächtigsten aller Farb-drachen.
    Er öffnete das Maul, und eine bunte Flamme zerbarst zischend in der dunklen Luft der Höhle. Sie warf den Schatten des Drachen an die hintere Wand der Höhle. Wenn der Drache sich ein wenig drehte, nur ein wenig – dann würde ein Stück dieses riesigen Schattens auf Jumar fallen.
    Der Drache drehte sich ein wenig.
    Jumars Füße weigerten sich noch immer zu gehorchen.
    Doch der Schatten erreichte ihn nicht, und es kam keine weitere Flamme aus dem Maul des Drachen.
    »Du bist mein Herz, und mein Herz ist du«, sagte der Drache. »Wir gehören zueinander. Und doch kann es nur einen von uns geben.«
    Jumar schluckte. Der Drache schob seinen Kopf noch näher heran.
    »Was hast du vor, kleiner Mensch?«, fragte er.
    »Ich – ich – ich weiß es nicht«, stammelte Jumar.
    »Du bist gekommen, um deine Farben zu holen, nicht wahr?«, fragte der Drache. »Du bist gekommen, um mich zu töten.«
    Ein verzweifeltes Nein! lag auf Jumars Zunge. Doch er schwieg.
    »Doch du weißt nicht, wie«, fuhr der Drache fort. »Ist es nicht so?
    Er schwieg lange und sah Jumar an.
    »Ich habe gefürchtet, dass du kommen würdest, um mein Herz zurückzufordern«, sagte er schließlich. »Und ich habe es gehofft.«
    Und auf einmal erinnerte die Glut in den nächtlichen Drachenaugen Jumar an die Glut in Niyas Augen. Auch sie waren voller Schwermut.
    »Ohne dein Herz kannst du nicht leben«, sagte Jumar.
    Der Drache machte eine Bewegung mit seinem schlanken Hals, als schüttelte er den Kopf.
    »Es gibt nur einen«, sagte er, »wie ich es gesagt habe: mich oder dich.«
    Jumar trat

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