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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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eine blonde, blauäugige, starke Entschlossenheit: die von Arne.
    Niya hörte nicht auf, sich zu sträuben: Sie rang mit ihm um jeden einzelnen Meter; sie machte es ihm nicht leicht. Einmal, auf einer Reise, weit fort und lange her, hatte sein Vater ein ertrinkendes Schaf aus einem Wüstenbrunnen gezogen. Ein undankbares, um sich tretendes, strampelndes Schaf. Christopher kam es vor, als wäre Niya dieses Schaf. Er geriet selbst in Schwierigkeiten, schluckte Wasser, hustete, spuckte, tauchte unter: zwei ertrinkende Schafe?
    War er genauso wahnsinnig wie sie – einen Versuch zu machen, jemanden zu retten, ohne es zu können? Blinder Aktionismus ... blinder Aktionismus ließ ihn wieder hochkommen, ließ ihn nicht aufgeben und weiterschwimmen, weiterringen, weiter Meter um Meter erstreiten.
    Wenn die Strömung sie nur nicht zu rasch flussabwärts trug, ehe sie die Insel erreichten! Wenn er sie nur nicht an der Insel vorbeitrug!
    Waren da Gestalten am Ufer, die winkten? Waren da Rufe? Sprang da jemand ins Wasser, um ihnen entgegenzuschwimmen? Christopher hatte keine Zeit, um nachzusehen. Innerlich fluchte er laut und ausführlich – halt endlich still, du lebensmüdes Dummschaf, verdammt stolze Ausgeburt eines kranken Landes, wirst du wohl – doch er ließ nicht locker, ließ sie nicht los, ließ nicht zu, dass sie den Kampf gegen ihn gewann und den gegen den Fluss verlor.
    Und er ahnte, dass diese Entschlossenheit nichts Blondes, nichts Blauäugiges mehr hatte, dies war seine eigene, ureigene: klein, dunkel, schmächtig – zäh.
    Und dann erreichten seine Füße unerwartet Kies. Boden.
    Er stemmte sie hinein, letzten Versuchen der Strömung trotzend, und watete, wankte, taumelte an Land.
    Und plötzlich waren da Arme, waren da Hände, die nach ihm griffen, ihn herauszogen – ihn und auch Niya – und dann lag er auf dem kiesigen Ufer der Insel, wo zwischen den Steinen grünes, frisches Gras spross: Er spürte es unter seiner Wange.
    Einen Moment lang schloss er die Augen, konzentrierte sich ganz aufs Atmen und auf das Gefühl der Strömung in seinem Körper, das noch immer an ihm zu zerren schien.
    »Christopher? Christopher?« Das war Arne.
    »Mm – ja«, murmelte Christopher benommen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Danke«, sagte Christopher mit einer etwas verwässerten Stimme. »Keine Wiederbelebungstaktiken notwendig. Gib mir eine Minute ...«
    Er öffnete die Augen, setzte sich auf, schüttelte sich.
    Neben ihm saß Niya auf dem Boden. Das weite Männerhemd klebte an ihr wie in einem schlechten indischen Film, in dem man sich um die Nacktszenen windet, indem man es regnen lässt. Christopher dachte an eine verschneite Nacht in den Bergen zurück, am Rande einer geschmolzenen Stadt... vor unendlich langer Zeit.
    Auch Niya schien keine weitere Hilfe zu benötigen als einen Augenblick Zeit, um sich im wirbelnden Durcheinander der letzten Minuten wiederzufinden – und Arne sah beinahe etwas enttäuscht aus.
    »Ihr macht Sachen«, sagte Jumar und schüttelte den Kopf. »Ihr macht Sachen.«
    Christopher ignorierte Arnes hilfreich ausgestreckte Hand, stand auf und wrang den Saum seines Hemdes aus.
    »Ich denke, dies ist der Moment«, sagte eine papierne Stimme hinter Jumar, »dass sich eine gewisse junge Dame bedankt, gerettet worden zu sein.«
    Ein altersfleckiger, sehniger Arm schob den nepalesischen Thronfolger beiseite, und magere, wettergegerbte Finger griffen nach Niya. Sie ließ sich widerspruchslos auf die Füße ziehen.
    Und dann stand sie neben Christopher, strich sich sinnlos durch das nasse Haar, das jetzt zu kurz war, um ihr ins Gesicht zu hängen, und sah zum ersten Mal in ihrem Leben verlegen aus.
    »Na?« sagte der alte Mann.
    Er trug eine verblichene, schwarze, sackartige Hose, ein Hemd unbestimmter Farbe, das so alt aussah wie er selbst, und eine jener runden Kappen voller kompliziert gewebter Zackenmuster, die Christopher stets an Teewärmer erinnerten. Zu kleine Teewärmer.
    »Schon gut«, sagte Christopher.
    »Nein«, sagte Niya. »Er hat recht. Ich – ach, zum Teufel! Verdammt.« Sie sah ihn an. »Danke.«
    Christopher lächelte (wessen Lächeln?). Und als Jumar begann: »Warum hast du nicht gesagt, dass du nicht schwim-?«, trat er ihm ganz schnell auf den Fuß.
    »Wäre es eventuell nun Zeit«, fragte der Alte mit einem Grinsen im Mundwinkel, »für eine Vorstellung?«
    »Sich, oh –«, sagte Arne. »Ich bin Arne, und dies hier ist Christopher, und das ist Niya, und das ist Jumar.«
    »Namen

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