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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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dem geografisch verwirrenden Untertitel home sweet home.
    »Interessant«, bemerkte Jumar gerade, und in diesem Moment flog die Tür auf, und eine Gruppe von Männern kam herein. Christopher nickte einen höflichen Gruß, doch die Männer schenkten ihm keine Beachtung.
    Sie trugen tarngrüne Jacken und Handschuhe mit abgeschnittenen Fingerkuppen und wärmten sich die Hände am Ofen, der in der Mitte des Raumes stand – und dabei rauchten sie und diskutierten halblaut über etwas, das Christopher nicht verstand. Über dem Eingang hing ein großes Schild, das das Rauchen verbot, aber darum schienen sich die Männer ebenso wenig zu scheren wie um die Asche, die sie auf den Boden fallen ließen. Christopher ruckte unbehaglich auf der hölzernen Bank hin und her.
    »Jumar«, flüsterte er. »Wir sollten gehen.«
    »Nein«, wisperte Jumar zurück, »warte. Ich will hören, was sie sagen.«
    Und Christopher hörte, wie er von der Bank aufstand.
    Er versenkte seinen Blick in der Teetasse – als könnten die Männer ihn nicht sehen, wenn er sie nicht ansah. Kurz darauf hörte er einen Stuhl rücken, und als er aufsah, erwartete er, gar niemanden zu sehen, weil Jumar zurückgekommen war.
    Stattdessen blickte er in die klaren, dunklen Augen eines jungen Mannes, der unter seiner Mütze ein rotes Kopftuch trug. Die Augen waren nicht unfreundlich, aber sie waren hart – hart wie Stein.
    Christopher versuchte, es zu übersehen, aber der Mann stützte sich auf ein Gewehr.
    »Guten Morgen«, sagte er und lächelte mit dem Mund. Seine harten Augen lächelten nicht.
    »Guten Morgen«, erwiderte Christopher. Seine Stimme klang mürbe und rissig.
    »Sag mir: Wohnst du hier?«, erkundigte sich der Mann.
    »Nicht hier«, antwortete Christopher. »Ein Dorf weiter, unten am Hang. Ich ... ich besuche jemanden.«
    Der Mann nickte. »Sehr schön. Wie alt bist du?«
    »Vierzehn.« Christopher schluckte, und seine Kehle war eigentümlich trocken.
    »Und wie heißt du?«
    »Shiva«, log Christopher.
    »Sehr schön«, wiederholte der Mann, »sag mir, Shiva, möchtest du nicht mit uns kommen? Vierzehn ist ein gutes Alter, um etwas Neues zu lernen. Mit vierzehn hat man noch Mut und Kraft. Du bist doch mutig, Shiva, nicht wahr?«
    »Nicht – nicht besonders«, gab Christopher zu.
    Der Mann lachte und klopfte ihm auf die Schulter. »Überleg es dir gut, Shiva. Wir denken an dich. Aus dem Dorf unten am Hang haben wir schon viele mutige Jungen zu uns geholt. Sie sind gerne bei uns, und sie lernen viel. Möchtest du nicht lernen, wie man so ein Ding bedient?«
    Er streichelte liebevoll den schwarz glänzenden Lauf des Gewehres.
    »Ich ... ich überleg es mir«, brachte Christopher hervor.
    »Wir überlegen es uns auch«, sagte der Mann. »Ob wir dich brauchen. Wenn wir dich brauchen, würdest du doch zu uns kommen, nicht wahr?«
    »Sicher«, erwiderte Christopher. Er war auf der Bank immer kleiner geworden, und am liebsten wäre er mit ihr verschmolzen.
    »Na dann, Shiva" – der Mann tippte sich an die Mütze – »dann sehen wir uns sicher bald. Vergiss nicht, an uns zu denken.«
    Er kehrte zu den Übrigen zurück, und Christopher spürte, dass seine Schultern steif waren vor Anspannung. Kurz darauf fühlte er Jumars Hand auf seinem Arm und stand auf, um ihm nach draußen zu folgen. Er sog die Luft tief in seine Lungen –aber es war nicht der Qualm der Zigaretten, der sich dort festgesetzt hatte. Es war die Angst.
    »Es ist gut, dass wir die T-Shirts gewechselt haben«, flüsterte Jumar. »Sie suchen mich. Oder: dich. Oder: uns.«
    »Sie haben gerade versucht, mich zu rekrutieren«, sagte Christopher. »Es wird Zeit, dass wir hier wegkommen. Und es wird Zeit, dass wir einen Plan machen, was wir tun wollen, wenn wir ihr Basislager finden. Hast du einen Plan?«
    »Eh – nein«, gestand Jumar. »Dafür habe ich etwas anderes herausgefunden. Der direkte Weg aus dem Dorf führt durch eine breite Schneise im Wald, und dort sitzt seit heute Morgen ein Drache. Die Mao – sie haben zwei ihrer Jungen verloren, als sein Schatten auf sie fiel.«
    »Was erklärt, dass sie Nachschub an Leuten brauchen.«
    »Was erklärt, dass wir einen anderen Weg nehmen müssen.«
    »Und welchen?«
    »Angeblich gibt es einen Schleichweg, der bei den heißen Quellen beginnt. Ich habe keine Ahnung, wo genau er ist, aber es gibt ihn. Wir müssen ihn nur finden.«
    »Ich liebe deinen Optimismus«, sagte Christopher, obwohl ihm gar nicht nach Scherzen zumute war. »Wir finden also

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