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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Trommeln anzustoßen. Jede sich drehende Trommel zählte als ein Gebet – eine praktische und zeitsparende Version des Rosenkranzes.
    Niya ging voran, ihre rechte Hand nach den Trommeln ausgestreckt, und im Morgenlicht sah Christopher, dass auf ihrem Handrücken eine breite Brandnarbe prangte.
    Er beobachtete, wie sie die Trommeln drehte – om mani pad me hum, om mani pad me hum, sangen die Gebetstrommeln und verkündeten, dass sie den hinduistischen Teil des Landes hinter sich gelassen hatten. In diesen Höhen war es der bunten Götterschar unbehaglich. Buddha allein saß in gewohnter Gleichmütigkeit in seinen Tempeln auf den Gipfeln. Ihm, dachte Christopher, machte die Kargheit des Landes nichts aus ...
    »Da!« Niya blieb in der Mitte der Gebetsmauer stehen. »Hörst du?«
    Sie drehte eine der Trommeln noch einmal.
    Christopher lauschte. Da war ein feines Knistern, ein winziges Rascheln – es wäre ihm niemals aufgefallen, wenn sie ihn nicht darauf aufmerksam gemacht hätte.
    Niya fingerte einen Moment lang am oberen Ende der metallenen Gebetstrommel herum, dort, wo der Stab in einem Loch in der Trommel verschwand – und als sie ihre Hand zurückzog, hatte sie ein Stück dünnes Papier aus dem Widerlager befreit.
    Sie entfaltete es, warf einen Blick darauf, nickte und zerriss das Papier.
    »Komm«, sagte sie. »Es ist nicht mehr weit.«
    Christopher verbiss sich ein Stöhnen. Jede Faser in seinem Körper sträubte sich dagegen, wieder auf das Pferd zu klettern. Aber Jumar zog ihn hoch, und wenig später verließen sie den Ort. Christopher blickte sich um. Noch immer war kein Laut zu hören, nirgends stieg der Rauch eines Feuers auf, nirgends war eine Bewegung zu sehen.
    Niya folgte seinem Blick.
    »Es ist niemand mehr dort«, sagte sie. »Die Hütten sind verlassen.«
    »Verlassen? Weshalb?«
    »Kartan«, antwortete Niya. Mehr nicht. Dann wandte sie ihren Blick stur geradeaus, und Christopher wagte nicht, weiter zu fragen. Eine halbe Stunde später führte der Weg sie über eine Anhöhe, und dahinter lag ein enges Tal mit steilen Wänden. Niya hielt ihr Pferd an und atmete tief durch. »Wir hätten ihre Nachricht kaum gebraucht«, sagte sie mit einem Lächeln und streckte den Arm aus. »Dort, und dort – und dort! Siehst du?«
    Das Tal war grau. Nein: Es war farblos. In seiner Mitte lag ein farbloses Dorf, wie jenes mit den Obstgärten. Aber hier gab es einen Unterschied: Manche der Felder schienen ihre Farbe wiederzugewinnen.
    Christopher blinzelte.
    Doch er hatte sich nicht getäuscht. Auf den Wegen zwischen den Feldern waren kleine Gruppen von Frauen und Männern unterwegs, die scheinbar nichts taten, als langsam dort entlangzuwandern, und wo sie gewesen waren, begann der Reis, wieder Farbe zu bekommen. Einzelne Töne drangen vom Tal zu ihnen herauf, der Wind trug die Fetzen eines Liedes.
    »Das – das sind sie?«, fragte er. »Deine Leute?«
    »Nicht meine Leute. Die Leute des großen T. Aber natürlich gehöre auch ich zu ihnen.«
    »Also – ist es wahr? Ihr könnt den Feldern ihre Farben zurückgeben?«
    Niya nickte. »Durch unsere Lieder. Es braucht eine Menge Zeit, aber es geht. Komm mit, ich will dich ihnen vorstellen. Und es ist Zeit, dass wir etwas in den Magen bekommen.«
    »Warte«, sagte Christopher. »Ich – ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich zu euch gehöre.«
    »Jeder, der von Kartan gejagt wird, gehört zu uns«, erklärte Niya ernst.
    Christopher nickte langsam.
    Er wünschte, er hätte die Gedanken des unsichtbaren Reiters hinter sich lesen können.
    Sicher, es war das Beste, dem schwarzäugigen Mädchen zu folgen. Waren sie nicht aufgebrochen, um die Aufständischen zu finden? Und hier saßen sie auf einem ihrer Pferde und wurden eingeladen, mit ihnen zu essen.
    Aber sie waren gekommen, um ihren Anführer zu töten.
    Nein, sagte sich Christopher, ich bin nicht deswegen gekommen. Ich werde allein weiterziehen und Arne finden.
    Aber er wusste, dass das längst nicht mehr möglich war. Wie konnte er Arne ohne die Hilfe des unsichtbaren Kronprinzen befreien? Wie konnte er ihn im Stich lassen? Die Fäden von Jumar und seiner Geschichte hatten sich längst zu untrennbar miteinander verwoben.
    Und als er Niya an diesem Morgen hinunter ins Tal folgte, fühlte er sich wie ein Verräter.
    Sie hatte ihren Feinden das Leben gerettet, ohne es zu ahnen.
    Je weiter sie ins Tal hinabkamen, desto deutlicher drang die Melodie zu ihnen durch, und als sie beinahe bei der ersten Gruppe von Sängern

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