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Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Hände – beinahe, ohne es zu merken. Wie drei kleine Kinder hockten sie da und lauschten und zitterten, und endlich verbannte die Erschöpfung sie in einen unruhigen Schlaf, an dessen Rändern die Kälte Stücke abbiss.
    Die Sonne explodierte an jenem Morgen nahe den Gipfeln in einem Feuerwerk von Farben, und jeder winzige Kristall im Schnee spiegelte den Himmel wider. An diesem Morgen sahen sie hoch oben vor dem Licht die Schatten von Vögeln.
    »Nein«, sagte Christopher, »es sind keine Vögel. Es sind Drachen. Ein ganzes Rudel von Drachen.«
    Und Jumar sah, dass er recht hatte. Die Bewegungen der Wesen dort oben unter der Sonne waren zu geschmeidig für Vögel, zu schön, zu anmutig. Zu gefährlich.
    »Man sagt, sie wohnen hier in den Gipfeln«, flüsterte Niya. »Aber ich ziehe es vor, das nicht zu glauben.«
    Das Rudel der langhalsigen Schatten verschwand aus ihren Blicken, und sie atmeten auf.
    Bald darauf wurde der Weg noch schmaler als bisher. Er führte sie nun direkt an einer Felswand entlang – zur Rechten erhob sich der Felsen, zur Linken fiel der Berg steil ab, und Jumar vermied es, in die Tiefe zu blicken. Früher, als er klein war, war er manchmal auf das Dach des Palastes geklettert und hatte von dort aus auf die Stadt hinabgesehen – und er hatte sich als ihr Herrscher gefühlt, so hoch oben über ihren Dächern. Jetzt lächelte er, wenn er daran dachte. Wie sehr sich seine Welt seit damals verändert hatte!
    Er merkte, dass Niya und Christopher stehen geblieben waren.
    »Was ist los?«, fragte er. »Warum geht ihr nicht weiter?«
    Niya drehte sich zu ihm um. »Es gibt nichts mehr, worauf man gehen könnte«, sagte sie. »Der Pfad bricht hier ab. Er bricht einfach ab.«
    »Du hattest recht«, sagte Christopher. »Man kann den Fishtail nicht besteigen.«
    Jumar erinnerte sich, dass sie auch geglaubt hatten, man könnte das Dach des Palastes nicht besteigen. Aber er hatte einen geheimen Weg gefunden, einen Weg über die steinernen Verzierungen an einer Seite der Mauer und über eine Regenrinne. Er hatte nie jemandem davon erzählt. Nur die Tauben hatten gewusst, dass er manchmal auf dem Dach saß, denn er hatte sie gefüttert, dort oben.
    »Es muss einen Weg geben«, sagte Jumar. »Jemand hat diesen Pfad angelegt, und niemand legt einen Pfad an, der im Nichts endet.«
    Er drängte sich an Christopher und Niya vorbei und kniff die Augen zusammen, um dem Felsen sein Geheimnis zu entlocken. Und dann sah er es: ein Geheimnis in den Schatten der Vorsprünge. Und er lächelte.
    »Und es gibt einen Weg«, sagte er. »Seht ihr die eisernen Haken? Dort! Der Pfad geht weiter, aber er führt durch die Luft.«
    Als er sich umdrehte, sah er, wie alle Farbe aus Christophers Gesicht wich. »Du meinst ... es gibt nur die Haken? Die Haken sind der Weg?«
    »Es sind zwei Reihen. Eine Reihe, um die Füße daraufzustellen, und eine weiter oben, um sich festzuhalten. Natürlich sind sie ein Weg. Jemand hat sie zu ebendiesem Zweck hier eingeschlagen.«
    »Dann müsst ihr ohne mich weitergehen«, sagte Christopher. »Das ... das kann ich nicht. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht. Arne hätte es gekonnt. Aber ihr habt den falschen Bruder bei euch. Tut mir leid.«
    »Natürlich kannst du das«, sagte Niya. »Ich klettere voran, und du siehst, wie ich es mache.«
    Christopher schüttelte den Kopf. Jumar sah feine Schweißperlen auf seiner Stirn stehen.
    »Wir wissen nicht mal, wie weit es ist! Oder ob der Pfad irgendwo hinführt!«
    Jumar legte ihm die Hand auf die Schulter. »Niemand kann dich zwingen mitzugehen, wenn du nicht willst«, sagte er leise. »Aber ich bitte dich darum, Christopher. Was auch immer uns dort oben erwartet... ich will ihm nicht ohne dich gegenübertreten. Weißt du noch, im Zelt der Soldaten? Als du mich einen Idioten geschimpft hast?«
    »Tut mir leid«, murmelte Christopher.
    »Nein!«, rief Jumar, »du hattest recht! Ich bin ein Idiot. Ich laufe immer wieder irgendjemandem in die Falle. Du hast gewusst, dass Kartan nichts daran liegt, das Leben des Thronfolgers zu retten. Du hast gewusst, dass im Basislager des großen T nicht alles so wundervoll war, wie es schien. Und du hast gewusst, dass wir schon am Fuß des Berges waren, den wir suchten. Bitte, Christopher. Ich brauche dich.«
    Christopher lächelte. »Du warst schon immer gut mit Worten, weißt du das? Falls du jemals König wirst, werden die Leute da-hinschmelzen, wenn du zu ihnen sprichst.«
    »Also kommst du mit?«
    Christopher

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