Drachen-Mädchen
verlor die Kontrolle. Doch nur einen Augenblick, dann hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden und entwich schwebend nach oben, um nicht in seinen eigenen Flammenkranz zu stürzen. Mit einer einzigen Keuchkirsche konnte man keinen Drachen außer Gefecht setzen.
Doch die Ablenkung hatte Stanley eine kleine Verschnaufpause gewährt, und nun war er wieder kampfbereit. Er hatte einen Stein entdeckt und stützte darauf nun seinen Oberkörper ab, so daß er den fliegenden Feind unter Beschuß nehmen konnte.
Aber der Feuerdrache verschwand kurz aus dem Blickfeld. Dann, in einem für seine Art höchst ungewöhnlichen Anfall von Intelligenz, landete er kurz auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung und packte einen etwas kleineren Felsbrocken. Den trug er empor, flog auf Stanley zu, führte ein Sturzflugmanöver durch und ließ den Felsbrocken fallen. Hastig mußte Stanley davonkriechen, um nicht getroffen zu werden.
»Stanley braucht noch mehr Hilfe!« entschied Ivy. »Schließlich ist er nur ein sehr kleiner Drache. Bewirf den Feuerdrachen mit mehr Obst, aber mit anderem!«
Hugo war bereit. Er zauberte eine Handvoll Beeren hervor und schleuderte sie auf das Monster. Eine davon traf den Feuerdrachen am Schwanz, als er gerade den nächsten Felsbrocken aufnahm. Er schnatterte empört auf und wäre beinahe gegen einen Baum geprallt, war aber eher zornig als verwundet.
»Was war das denn?« fragte Ivy überrascht.
»Gänsebeeren.«
»Nimm was Stärkeres!«
Hugo warf mit einer Alligatorbirne. Die Frucht versenkte ihre gezackten Zähne in das Flügelende des Feuerdrachen, was diesen irritierte.
»Noch stärker!« sagte Ivy, als der Feuerdrache sich zur Seite wandte und die Birnenkiefer abbiß.
»Ich versuch’s mal mit Strombeeren«, meinte Hugo.
»Die sind doch viel zu klein!« rief Ivy, als die winzigen Trauben dem Feuerdrachen entgegenprasselten.
»Schau nur!«
Sie schaute. Eine Beere fiel dem Feuerdrachen ins Ohr, die andere heftete sich an einen seiner Flügel. Es waren Wechselstrombeeren, und der Feuerdrache reagierte auf den Stromstoß sehr schockiert.
Er entschied sich zu einer taktischen Frontbegradigung und zog sich zurück. Stanley, von Kriegslust erfüllt, nahm sofort die Verfolgung auf.
Der Drache, der von dem Schock noch ganz benommen war, konnte sich nicht mehr in die Luft emporschwingen, und so rannte er mit flatternden Schwingen der gegenüberliegenden Seite der Lichtung entgegen, Stanley blieb ihm dicht auf den Fersen.
»Halt, Stanley!« rief Ivy. »Jetzt können wir doch fliehen!« Doch der kleine Drache hörte nicht auf sie. Er war wie wahnsinnig vor Kampfgeist. Immerhin waren Drachen für genau dergleichen geschaffen.
Ivy und Hugo folgten erregt. Die Lichtung wurde zu einem Hang, der an einen kleinen, mit Inseln besetzten See uferte, auf dessen Oberfläche zarte Nebel spielten. Es war eine idyllische Szene, aber Ivy wollte nur Stanley in Sicherheit bringen, bevor er sich in Schwierigkeiten brachte. Man konnte nie wissen, was in Dschungelseen so alles lauerte.
Der Feuerdrache startete durch und schwebte etwas wackelig durch den Nebel, wobei er tief Luft holte. Langsam erholte er sich, und es gelang ihm, auf der nächstgelegenen Insel aufzusetzen, wobei er nur um eine Schuppe einem Absturz entging. Dort hielt er inne und leckte seine Wunden.
Stanley jagte zum Ufer, wo er die Schnauze im Wasser versenkte und seinen Vorrat auffrischte. Hier gab es genug Treibstoff für die Dampfproduktion!
Ivy rannte auf ihn zu. »Wir müssen gehen!« schrie sie. »Bevor der Feuerdrache sich erholt hat!«
Doch Stanley schüttelte verneinend den Kopf. Er war müde, und sein Hinterteil war versengt, und er hinkte noch immer, aber er wollte den Kampf beenden.
»Sprich du mit ihm, Hugo!« flehte Ivy herrisch. »Bring ihn dazu, zu gehen!«
Hugo dachte nach. »Das wäre vielleicht nicht sehr klug.«
»Was?« Ivy hatte Schwierigkeiten, die Vorstellung zu verdauen, daß Hugo sich gegen sie auf die Seite des Drachen schlagen konnte.
»Ich glaube, ich verstehe Stanley«, meinte Hugo. »Er weiß, daß der Feuerdrache sofort wieder hinter uns herjagen wird, sobald er sich gefangen hat. Dann wird er uns aus der Luft angreifen. Solange er die Luftüberlegenheit hat, bleiben wir angreifbar. Also müssen wir ihn jetzt sofort erledigen, solange er in Schwierigkeiten ist. Erst dann können wir unsere Reise ungefährdet fortsetzen.«
Stanley nickte. Er verfügte über gewisse Kenntnisse das Verhalten von Drachen
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