Drachen-Mädchen
steckten jetzt ebenfalls in Schwierigkeiten. Die Hypotenuse tauchte hastig unter und versteckte sich vor dem Feuer, während die Allegorie sofort davonschwamm. Der Relevant stieß ein erschrockenes Trompeten aus und rannte vor dem See davon.
Da kam eine Parodie vorbeigeflogen. Sie hatte grüne Schwingen und einen gedrungenen, nach unten gebogenen Schnabel. »Was’n das für ’n Quatsch?« krächzte sie und entfernte sich hastig. Im Augenblick war der See kein besonders guter Aufenthaltsort für Parodien…
Doch die Wut der Nebel hatte erst begonnen. Als die Früchte des Zorns im Wasser versanken, wühlten diese das Naß fürchterlich auf. Es schäumte und kochte vor Wut und schlug hohe Wellen, die gegen die feurigen Nebelschwaden klatschten, während die Schwaden ihrerseits die Wellen erhitzten und ihre Ränder zum Dampfen brachten.
»Das sind aber starke Trauben«, meinte Ivy beeindruckt.
»Ein übler Jahrgang«, stimmte Hugo ihr zu.
»Stanley steckt in Schwierigkeiten«, sagte sie. »Die Wellen…«
»Hab’ dir ja gesagt, daß die Sache riskant ist.« Hugo blickte sich um. »Ah, da sind ein paar Fadenbohnen am Ufer. Die können wir nehmen, um ihm zu helfen.«
Sie pflückten eine Reihe Fadenbohnen und räufelten sie auf. Jede von ihnen bestand aus einem Knäuel zähen Fadens, den kein normales Messer oder Gebiß hätte durchtrennen können. Sie flochten daraus ein noch längeres, noch haltbareres Seil und schoben es mit einer Bohnenstange Stanley entgegen, der das Seil zwischen die Zähne nahm. Nun konnten sie ihn einholen, ohne daß die Wellen dagegen etwas auszurichten vermochten.
Stanley ging es ganz gut, denn er hatte sich vor den meisten Flammen durch Untertauchen retten können, aber er war sehr erschöpft. So schleppten sie sich in den Schatten hinter dem nächsten Hügel, um sich auszuruhen. Dort legten sie sich unter einen Eichelbaum und dösten ein. Ivy legte den Kopf an Stanleys warme Seite, wo sie sich am sichersten fühlte. »Du bist wirklich ein wunderbarer Drache für mein Podest«, sagte sie. »Du bist einfach vollkommen.« Und Stanley dampfte vor Freude.
So verstrich die Zeit, ruhig wie vor einem Sturm.
Zzapp!
Ivy wachte auf und schoß in die Höhe. Irgend etwas war ganz in der Nähe an ihr vorbeigeschossen, aber sie konnte nichts erkennen.
Zzapp!
Das Geräusch kam von dem nahen Baum. Ivy sprang auf und rannte zu ihm – und entdeckte ein winziges Loch in seinem Stamm. Seltsam. Das war doch vorher noch nicht dagewesen! Sie konnte das Licht hindurchschimmern sehen, denn das Loch war ganz gerade oder zumindest nur ganz leicht gewellt. Sie umrundete den Baum. Dort, eine Armlänge vom Stamm entfernt, schwebte ein kleiner, leicht gewundener Wurm in der Luft. Sie strich mit der Hand über ihm durch die Luft, um den unsichtbaren Faden ausfindig zu machen, an dem er hängen mußte: nichts. Hm. Wie konnte er denn dann in der Luft hängenbleiben?
Sie stach mit dem Finger nach dem Wurm. Er war mittelhart und bewegte sich nicht von der Stelle. Das wurde ja immer seltsamer! Sie legte ein Auge an den Wurm.
Zzapp! Der Wurm war verschwunden. Sie blickte sich um, dem Geräusch folgend, und entdeckte ihn wieder, wie er ein Stück weiter vom Baum entfernt in der Luft schwebte.
Ivy kehrte zurück und weckte Hugo. »Du bist doch schlau«, sagte sie. »Komm mal mit und sag mir, was ich gerade entdeckt habe.«
Hugo zog eine Grimasse. Er hätte es vorgezogen, noch ein wenig länger zu schlafen; intelligent zu sein war kein allzu großes Vergnügen, wenn es bedeutete, daß er ständig sein Gehirn anstrengen mußte, um schwierige Probleme zu lösen. Das hatte eine große Ähnlichkeit mit Arbeit. Aber er erhob sich gehorsam und folgte ihr zu der Stelle, wo der Wurm schwebte.
Zzapp! Der Wurm verschwand.
Hugo starrte. Dann schlug seine Verärgerung in Entsetzen um. »Mein Vater hat doch gemeint, die wären ausgestorben!« rief er.
»Dieser süße kleine Wurm?« fragte Ivy.
»Das ist kein süßer kleiner Wurm!« widersprach er ihr heftig. »Das ist ein Zappler! Es muß einen Schwarm hier geben.«
»Ein Zappler?« fragte Ivy verständnislos.
»Das schlimmste Ungeheuer Xanths«, erklärte Hugo. »Die Dinger vernichten alles. Schau mal, der hier hat schon den Eichelbaum durchbohrt! Stell dich nie vor einem Zappler auf, sonst durchlöchert er auch dich. Wir müssen ihn loswerden!«
»Stanley kann ihn dampfen«, sagte Ivy unbeunruhigt.
Stanley war inzwischen aufgewacht und hatte sich zu ihnen gesellt. Er
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