Drachen-Mädchen
suchen.«
»Nein, das nützt nichts. Euer Sohn befindet sich in der Nähe des Jungborns, während sich meine Tochter in der Nähe von Schloß Zombie aufhalten muß. Ich weiß zwar nicht, wie weit die beiden voneinander entfernt sind…«
»Ich auch nicht«, gestand die Gorgone. »Nur Humfrey weiß, wo sich der Jungborn befindet. Aber er muß irgendwo dort in der Gegend sein.«
»Und der Zombiemeister?« fragte Irene. »Ihr sagtet doch, er wisse…«
»Ja, vor achthundert Jahren hat er es gewußt. Aber während seiner langen Lebensspanne als Zombie hat er es wieder vergessen. Er wußte nur noch, daß er überhaupt existiert, und zwar ungefähr in jener Gegend. Daraufhin hat Humfrey ihn exakt geortet.«
»Aber Humfrey muß Euch doch wenigstens…«
Die Gorgone schüttelte traurig den Kopf. »Das war nicht seine Art.«
Nur zu wahr. Der Gute Magier war ein absoluter Knauser gewesen, was die Weitergabe von Informationen und Wissen aller Art anging, sehr zur Verstimmung anderer, selbst Könige.
»Da sowohl Ivy als auch Hugo in Gefahr sind«, sagte Irene, »müssen wir sie beide getrennt suchen. Ihr rettet Euer Kind, und ich rette meins – und beten wir darum, daß wir Erfolg haben.«
Die Gorgone willigte ein.
»Werdet Ihr im Dschungel zurechtkommen?« fragte Irene sie besorgt.
Die Gorgone griff wieder vielsagend an ihren Schleier. »Wer kann sich da schon mit mir anlegen?«
Wie wahr! Die Gorgone hatte weitaus weniger von Ungeheuern zu befürchten als andere Menschen. »Dann ist die Sache also abgemacht. Ihr überlaßt mir den Rokh, damit ich auf Schloß Zombie zurückkehren kann, dann bringt er Lacuna hierher und danach könnt Ihr Euch von ihm in die Gegend des Jungborns bringen lassen, was ungefähr nördlich vom Schloß sein muß, wie ich vermute. Denn in diese Richtung ist Humfrey davongereist, als er uns verließ.«
»Ja«, meinte die Gorgone. »Ach, Irene, Ihr habt mir so viel geholfen! Ich wußte überhaupt nicht, was ich tun sollte, bis ihr kamt!«
Irene tätschelte beruhigend ihre Hand. Doch in ihrem Inneren war sie alles andere als beruhigt. Sie war um Hilfe gekommen – und die hatte sie nicht gefunden. Zu ihrem eigenen war nun auch Humfreys Horror hinzugekommen.
3
Yak-Geschwätz
Ivy blickte sich um. Sie befand sich in einem netten Dschungel voller interessanter Dinge, also studierte sie jedes einzeln.
Sie bemerkte, daß sie irgend etwas in der Hand hatte, und um sich davon nicht ablenken zu lassen, steckte sie es in die Tasche.
Am allernächsten befand sich eine Pflanze, die wie eine Essiggurke roch, aber fast metallisch harte Zweige und Blätter aufwies. »Wer bist du?« fragte sie, doch die Pflanze antwortete nicht.
Ivy zog eine Schnute. Sie mochte keine Dinge, die nicht reagierten. Also ging sie weiter, auf der Suche nach etwas, was bereit war, mit ihr zu reden.
Sie hörte ein Geräusch im Unterholz und entdeckte ein großes, grasendes Tier. Es besaß Hörner wie eine Seekuh, einen Schweif wie ein Zentaur und seidige Haare, die an seinen Seiten herabhingen wie von einer schönen Frau. Alles in allem also ein seltsames, aus unterschiedlichen Teilen zusammengesetztes Geschöpf.
Doch Ivy war zu jung und zu unerfahren, um zu begreifen, wie seltsam dieses Tier eigentlich war, oder um richtig Angst vor ihm zu bekommen.
Sie schritt schnurstracks darauf zu und fragte: »Was bist du?« Sie hatte diese Frage stets als nützlich empfunden, weil die Dinge immer dann, wenn ihr Vater in der Nähe war, Antwort zu geben pflegten.
Das Wesen hob den Kopf und starrte sie mit einem großen, wunderschönen Auge an. »Ich hab schon geglaubt, du würdest mich nie fragen! Ich bin ein Yak, das geschwätzigste aller wilden Tiere. Wenn du nicht herausfinden kannst, wie du mich zum Schweigen bringst, werde ich dir das Ohr vom Kopf quasseln.«
Ivy legte eine Hand an ihr zartes kleines Ohr. Es wirkte recht sicher befestigt, deshalb entspannte sie sich. »Und wie bringe ich dich zum Schweigen?« Sie war recht zufrieden mit ihrer Fähigkeit, Fragen richtig zu formulieren; schließlich war sie noch nicht sehr groß. Aber sie hatte festgestellt, daß sie weitaus mehr konnte, als sie dachte, wenn sie nur fest genug daran glaubte. Sie hatte sich dazu entschlossen, daran zu glauben, daß sie wie ein Erwachsener reden konnte, und nun konnte sie es auch, jedenfalls fast. Doch das tat sie nicht in Gegenwart Erwachsener, denn die hatten oft ziemlich komische Vorstellungen davon, was ein Kind durfte oder nicht, was sie
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