Drachen-Mädchen
ein Glück, daß sie ausgerechnet an ein solches Tier geraten ist.«
»Das war der Glücksbringer«, meinte Chem. »Offensichtlich hat sie ihn dabeigehabt, obwohl sie vielleicht nicht wußte, was er zu bedeuten hat.«
»Aber diese Glücksbringer wirken immer nur ein paar Stunden, wenn man sie benutzt«, warf Irene besorgt ein. »Sie verfügen nur über eine bestimmte Menge Kraft, und jeder Glücksfall läßt sie schwächer werden. Ivy muß schon eine Menge Glück hier draußen aufgebraucht haben, so daß der Glücksbringer bis zum Nachteinbruch seine Wirkung eingebüßt haben dürfte.«
Die Zentaurin blickte zum Himmel empor. »Wir haben immer noch eine Stunde Zeit und sind schneller als sie. Wir werden sie schon finden.«
Während sie der Fährte weiterhin folgten, erscholl plötzlich ein drohendes Donnergrollen. Ein Sturm war in ihre Richtung unterwegs, und sie beeilten sich. Nun kamen sie an einer Quälföhre vorbei. Kurz dahinter endete die Spur plötzlich. Keine Pflanze konnte sich an irgend etwas erinnern.
»Noch ein Vergessensstrudel!« rief Irene.
»Vielleicht war es aber auch derselbe, der immer weiterwirbelt.«
»Diese Strudel scheinen nicht sehr groß zu sein«, meinte Chem. »Eigentlich müßten wir die Fährte auf der anderen Seite wieder aufnehmen können.«
Das Donnergrollen wurde immer lauter. Es klang wie die Wolke, welche Irene mit ihren Wassermelonensamen in ihre Schranken verwiesen hatte, und das konnte Ärger bedeuten. Unbelebte Gegenstände waren vielleicht nicht besonders schlau, dafür aber sehr nachtragend und stur.
Bald hatten sie die Fährte wiedergefunden – doch nur die des Yaks. »Lassen Yaks ihre Gefährten im Stich?« fragte Irene.
»Nicht, solange diese Gefährten noch dazu in der Lage sind, ihnen zuzuhören«, sagte Chem. »Freiwillig hört ein Yak nie auf, zu reden.«
»Klar, man muß eben wissen, wie man ihn zum Schweigen bringt«, warf Grundy ein.
»Und wie tut man das?« wollte Irene wissen.
Der Golem schüttelte seinen kleinen Kopf. »Das weiß niemand.«
»Ivy wußte es ganz bestimmt nicht, und selbst wenn sie es gewußt haben sollte, hat sie es bestimmt nicht angewandt. Sie liebt nämlich Gespräche.« Irene furchte die Stirn.
»Irgend etwas muß ihr zugestoßen sein«, meinte Grundy.
»Der Vergessensstrudel!« warf Chem hastig ein, bevor Irene sich noch weiter aufregen konnte. »Wahrscheinlich hat er den Yak berührt, und das Tier hat Ivy vergessen und ist davongewandert.«
Irene entspannte sich. »Ja, natürlich. Also müssen wir noch einmal die Fährte zurückverfolgen, um Ivys Spur zu suchen.«
Ein gewaltiges Donnergrollen ließ sie zusammenzucken, dann folgte ein Windstoß, und dann begann schließlich der Regen. Das war mit Sicherheit der Wolkenkönig, der sich mit der Feuchtigkeit des Abends aufgeladen hatte und eine ganze Schar von Wolken, die ihm Untertan waren, mitbrachte. Nun zahlte er es Irene heim, und sie war nicht in der Lage, sich zu wehren. In stiller Wut biß sie die Zähne zusammen – sie liebte es nicht, von Wasserdampf gemaßregelt zu werden.
»Die Spur muß wohl ein wenig warten«, meinte Chem. »Solange der Sturm anhält, können wir sie nicht verfolgen.«
»Ja, das wird ein richtiger Regenguß«, meinte Grundy fröhlich. »Ich frage mich nur, wer diese Wolke da oben so wütend gemacht haben kann. Normalerweise schlagen sie nie grundlos zu.«
Grimmig holte Irene einen Samen aus ihrem Beutel und befahl: »Wachse!« Sofort keimte eine Regenschirmpflanze hervor. Ihre breiten Blätter überlappten einander und bildeten auf diese Weise einen wasserdichten Regenschutz. Schon bald war sie groß genug, um alle drei zu beschützen.
Das kam auch keine Sekunde zu früh, denn der Regen erwies sich wirklich als schrecklicher Guß. Knüppeldick prasselte er auf sie herab und tat sein Bestes, um von der Seite her an sie heranzukommen. Oh, war diese Wolke aber wütend! Irene mußte noch ein Mauerblümchen keimen lassen, um ihn abzumauern, doch bevor die Pflanze ihre volle Größe erreicht hatte, waren sie schon völlig durchnäßt. Alles in allem war es eine ziemlich ungemütliche Situation.
Der Zombie stand einfach neben dem Unterschlupf, da er seiner nicht bedurfte und wußte, daß man ihn unter dem Schirm nicht willkommen heißen würde. Der scharfe Regen riß ihm immer mehr Stücke vom Leib, doch irgendwie schien er nie an Körpermasse zu verlieren. Das war auch das Besondere an den Zombies: Ständig verloren sie ihr verfaultes Fleisch, und
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