Drachen, Orks und Magier
Nichts. Das Schattenwesen.
Die Toten lagen alle reglos am Boden, das Schattenwesen kam auf den Thyrer zu.
„Habe ich nicht gesagt, ich würde zurückkommen, Axtwesen? Du hast es wohl nicht glauben wollen. Aber jetzt bin ich hier!“
Ein schrecklicher Hass klang aus der rauen Stimme des Schattenwesens. Whuon fühlte sich allein und hilflos. Er sehnte sich jetzt das Axtwesen herbei, aber es war verschwunden.
Das Schattenwesen besaß keine bestimmte Form. Es war eigentlich eine Art Wolke aus schwarzem Staub. Und diese Wolke veränderte ihr Aussehen von Sekunde zu Sekunde.
„Du irrst dich! Ich bin nicht das Axtwesen, sondern Whuon aus Thyrien.“
„Du hast recht! Etwas hat sich bei dir verändert. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass du nicht das Axtwesen bist. Aber ich glaube, dass du einmal das Axtwesen warst.“
Whuon atmete auf. Er deutete auf die Toten.
„Warum hast du sie getötet, Schattenwesen?“
„Waren sie nicht schon tot?“
Wieder begann die Luft zu flimmern. Das Schattenwesen verschwand. Zögernd setzte Whuon seinen Weg fort.
12.
Bunter Trubel herrschte in Himora, der Stadt am Rande der Wüste. Whuon hatte sein letztes Geld zusammengekratzt und sich in einem Gasthaus einquartiert.
Der Thyrer hatte auch keine Pläne für die Zukunft. Er musste zuerst die Vergangenheit bewältigen.
Er hatte so viel erlebt …
Er hatte den Schöpfer des Universums gesehen und die kosmischen Zusammenhänge begriffen.
Er hatte Thagon, den einsamen Magier von Aruba, besiegt.
Er hatte die schwarze Stadt zerstört und dem Axtwesen zur Freiheit verholfen.
Doch immer wieder kehrten Whuons Gedanken zu dem seltsamen Schattenwesen zurück, welches er draußen in der Wüste getroffen hatte.
Würde es wiederkommen?
Bei ihrem Zusammentreffen in der Wüste hatte es nichts davon gesagt.
Und was sollte aus ihm, Whuon, werden?
Vielleicht war es das Beste, wenn er nach Thyrien zurückkehrte. Er besaß in Simacra eine Farm, die er von seinem Vater einst geerbt hatte.
Dort würde er sich sicher gut von dem Erlebten erholen können. Er hatte so viele unbegreifliche und unirdische Dinge gesehen – jetzt musste er sich erst wieder mit den ganz normalen Dingen des menschlichen Lebens befassen, um wieder zu sich selbst zurückzufinden. Zwar hatte ihm das Axtwesen soviel Kraft gegeben, wie er brauchte, aber der Kampf mit Thagon hatte ihn doch sehr mitgenommen.
Whuon saß im Schankraum. Er war fast allein hier. Eigentlich, so dachte er, konnte er zufrieden sein. Er hatte alles erreicht, was er erreichen wollte.
Und doch …
Und doch war das Unbehagen nicht aus seiner Seele gewichen.
Vor irgendetwas hatte der Thyrer Angst.
Vor dem Schattenwesen?
Whuon musste selbst über seine Vermutung lächeln. Er trug nicht mehr das Axtwesen in sich, also konnte das Schattenwesen nichts mehr von ihm wollen. Oder war das, was Whuon als Angst identifizierte, in Wirklichkeit nichts anderes als Trauer?
Dem Thyrer erschien diese Erklärung schon sehr viel plausibler. Trauerte er denn nicht wirklich um seine verlorenen Freunde? Doch da erkannte Whuon, dass, wenn er Trauer empfand, diese Trauer unbegründet war. Denn er wusste doch, was mit den Toten passierte! Er wusste doch, dass die Toten nicht starben, sondern für eine neue Lebensaufgabe konditioniert wurden, die sie dann in ihrem nächsten Leben wahrnehmen konnten.
Erinnerte er sich denn nicht mehr daran, wie gerne er bei den Toten geblieben wäre?
Whuon konnte sich dieser Erlebnisse merkwürdigerweise kaum noch entsinnen.
Ein dichter Schleier hatte sich zwischen ihn und seine Vergangenheit geschoben.
Vielleicht war es auch besser, wenn er dies alles vergaß. Vielleicht würde er erst dann wieder ein normales Leben führen können, wenn er diese unglaublichen Erlebnisse aus seinem Gedächtnis verbannt hatte.
Und wenn es nun seine Lebensaufgabe war, nicht so zu leben wie die anderen?
Der Thyrer wagte gar nicht, daran zu denken, denn er wollte wieder so leben, wie er in seiner Heimat, in Thyrien, immer gelebt hatte. Aber ob diese Zeiten jemals zurückkehren konnten?
War es nicht viel wahrscheinlicher, dass ihn die Schatten der Vergangenheit ein Leben lang verfolgten?
Whuon lehnte sich zurück. Er war praktisch mittellos. Mit dem wenigen, was er an Geld besaß, würde er nur noch wenige Tage lang auskommen. Und er brauchte ein Pferd und Vorräte, um zurück nach Thyrien zu gelangen.
Aber für das wenige Geld konnte er sich nicht einmal genügend Vorräte für eine solche
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