Drachen, Orks und Magier
Licht fiel durch eine vergitterte Fensteröffnung.
Er befand sich also in einem Kerker.
In einer Ecke lag eine zusammengekauerte Gestalt mit schlohweißen Haaren.
An-Shar!
Die Anwendung der schwarzen Magie hatte aus ihm ein dürres Männchen gemacht, das beinahe einer Mumie glich.
Kirad erhob sich, trat auf den Magier zu, beugte sich nieder und berührte ihn leicht an der Schulter.
"An-Shar", sagte er.
Aber An-Shar gab keine Antwort.
Er schüttelte ihn noch einmal an der Schulter.
"Antworte mir!", forderte er.
Der Magier hob den Kopf. Ein müder Gesichtsausdruck stand in den eingefallenen Gesichtszügen. Die Spuren des Alters hatten sich unübersehbar in seine Züge hineingegraben.
"So sehen wir uns also wieder", murmelte er matt und mutlos.
Die dünnen Lippen hatten noch nicht einmal mehr Kraft zu einem Lächeln.
Die Augen schienen jeden Glanz verloren zu haben.
Kirad setzte sich neben ihn.
"Du wirst mir einiges erklären müssen."
"So, muss ich das?"
"Wir sitzen hier gemeinsam in einem Kerker und ich nehme an, dass es ebenso wenig dein Ziel war hier zu enden wie es das meine ist."
"Das ist richtig."
"Na, also."
"Ich bin sehr schwach", sagte An-Shar. "Ich habe keine Kraft."
"Ich will jetzt die Wahrheit wissen", sagte Kirad und packte den Magier bei den Schultern. Nicht der Hauch eines Widerstandes wurde ihm entgegengesetzt.
"Gibt es diesen Schatz, von dem du gesprochen hast?"
"Nirgendwo gibt es mehr Gold als in Ta-Tekem", erwiderte der Magier ausweichend.
"Das ist keine Antwort auf meine Frage."
"Es gibt einen Schatz, den ich hier in dieser Stadt zurücklassen musste als ich das Tor durchschritt. Das Tor der Zeit, das mich in deine Welt geführt hat, Kirad Kiradssohn Elbenschlächter. Aber der Schatz, der hier zu finden ist, besteht nicht aus Gold."
"Worum handelt es sich dann?"
"Um ein grünes Juwel."
"Ein einziges Juwel nur war diesen Einsatz wert?" Kirad lachte auf. "Das kann ich nicht glauben."
"Es handelt sich um ein besonderes Juwel. Einen eigentümlichen grünen Stein, wie du ihn noch nie gesehen haben wirst, Kirad. Dieser Stein verfügt über besondere magische Kräfte und ich weiß, wie man sie zu wecken vermag."
"So?"
"Im Augenblick bin ich schwach, Kirad... So schwach! Aber meine Kraft wird zweifellos zurückkehren und dann..."
"...dann wird diese Kraft uns hoffentlich aus diesem Kerker herausholen!", knurrte Kirad grimmig. Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er gegen die massive Holztür geschlagen, durch die sie beide offensichtlich hereingebracht worden waren.
Aber das war sinnlos.
Kirad wusste nur zu gut, dass es besser war, sich seine Kräfte für Augenblicke aufzuheben, in denen man einen greifbaren Gegner vor sich hatte.
"Ich hätte dich ins Meer werfen sollen, nachdem wir den bryséischen Segler gekapert hatten!", stieß der Orks düster hervor.
"Für die Erkenntnis ist es nun ein bisschen zu spät!"
"Wahrhaftig!"
Kirad seufzte hörbar. Dann wandte er sich erneut an den Magier.
"Warum sitzen wir eigentlich hier? Was haben diese Leute gegen uns?"
"Das ist eine lange Geschichte, Kirad."
"Es wird Zeit, dass du sie mir erzählst..."
"Ein anderes Mal.. Ich bin so schwach... So müde!"
Der Orks rüttelte An-Shar bei den Schultern.
"Bleib wach, du Ausgeburt von Kjulls Hinterlist! Wenn wir zurück in der Ruinenstadt sind, in der wir gerade noch befanden, so magst du den ewigen Schlaf der Toten schlafen. Aber nicht jetzt! Denn mich erfüllt keineswegs irgend eine Art von Todessehnsucht!"
An-Shar schloss die Augen, lehnte sich zurück.
Er schwieg.
Sein Atem war erschreckend flach.
Er hat viel von seinen Kräften verloren!, ging es Kirad schaudernd durch den Kopf. Schließlich hatten es die bewaffneten Schergen ja geschafft, den Magier zu überwältigen und hier her zu bringen. Etwas, das ihnen unter normalen Umständen gewiss recht schwer gefallen wäre.
Ich kann nur hoffen, dass seine Kräfte noch dazu ausreichen, um die Wachen zu überwältigen!, überlegte Kirad.
"Ich will dir alles von Anfang an erzählen, Kirad", erklärte der Magier schließlich, ließ dabei die Augen allerdings geschlossen. "Denn schließlich werde ich auf deine Hilfe angewiesen sein. Und die Kraft, gleichzeitig dich und meine Gegner unter geistiger Kontrolle zu halten, fehlt mir zur Zeit..." Er kicherte. "Bei diesen Elbenoiden aus der Karawane des Sifar el-Dosri war das nicht schwer. Die Gier nach Gold war so stark in ihnen, dass man nur ein wenig
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