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Drachenauge

Drachenauge

Titel: Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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greifen, doch Iantine hielt es außer seiner Reichweite.
    »Du hast ein helles Köpfchen«, schmunzelte Iantine.
    »Ich weiß.« Leopol versuchte erst gar nicht, sein
    selbstgefälliges Grinsen zu unterdrücken. »Was war los, als ihr ihn abgeschoben habt?«
    Iantine starrte den Buben an. »Abgeschoben? Was
    redest du da?«
    Leopol stemmte die Hände auf seinen Hosengurt,
    legte den Kopf schräg und bedachte Iantine mit einem hochnäsigen Blick.
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    »Erstens: Sie sind auf einem Drachen vom Fort-Weyr
    weggeritten. Zweitens: Sie blieben über Nacht fort, also war etwas Großes im Gange. Vor allen Dingen, wenn auch die Weyrführer ausbleiben. Drittens: Jeder weiß doch, dass es Chalkin an den Kragen gehen sollte, und viertens kommen Sie mit einem Porträt zurück, das Sie nicht hier angefertigt haben.« Leopol breitete die Arme aus. »Daraus lässt sich nur ein einziger Schluss ziehen: Die Burgherren und Weyrführer haben sich zusammen-getan und Chalkin den Marschbefehl gegeben. Im Klar-text heißt das, er wurde seines Amtes enthoben und ins Exil geschickt. Hab ich Recht?« Er lächelte zufrieden.
    »Hab ich Recht?«, wiederholte er.
    Iantine stieß einen Seufzer aus. »Es ist nicht meine Aufgabe, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen«, entgegnete er diplomatisch und steuerte auf sein Quartier zu.
    Leopol versperrte ihm den Weg. »Aber ich hab doch
    richtig geraten, oder? Chalkin wollte Bitra nicht auf den Fädenfall vorbereiten, er hat seine Leute schikaniert, und die meisten Burgherren haben bei ihm hohe Spielschulden.«
    Iantine stutzte. »Spielschulden?« Er drängte sich an Leopol vorbei, entschlossen, sich in die relative Abge-schiedenheit seiner Kammer zu begeben. Doch er hüte-te sich, Leopol allzu viel zu verraten, aus Furcht, der Junge könnte Klatsch weitertragen.
    »Ah, Iantine!« Tisha hatte ihn erspäht und kam mit
    einer für ihre Leibesfülle beachtlichen Behändigkeit zu ihm gelaufen, sich geschickt an den Tischen vorbei-lavierend. »Hat man mit Chalkin kurzen Prozess gemacht? Hat er sich gewehrt? Ging seine Frau mit ihm ins Exil? Was mich offen gestanden überraschen würde.
    Ist Vergerin noch am Leben und wohlauf und hat man
    ihn gefunden? Übernimmt er die Leitung der Burg,
    oder muss er warten, bis am Ende des Planetenumlaufs das Konklave zusammentritt?«
    340
     
    Leopol krümmte sich vor Lachen, als er Iantines verdatterte Miene sah.
    »Ja, ja, nein, ja und nochmals ja«, antwortete der
    Künstler auf ihre Fragen.
    »Sehen Sie?«, frohlockte Leopol. »Ich bin nicht der einzige Weyrbewohner, der sich für solche Sachen interessiert.«
    »Ich will alles haargenau hören, Iantine«, bestimmte Tisha und stellte Klahbecher sowie eine Schale mit frisch gebackenen Keksen auf einen Tisch. »Setzen Sie sich und greifen Sie zu. Sie scheinen allerhand hinter sich zu haben.«
    »Ich bringe das Bild in Ihr Quartier«, erbot sich Leopol und riss dem überrumpelten Iantine das Porträt aus den Händen. »Ich schaue es mir auch nicht an, es sei denn, Sie erlauben es mir ausdrücklich.«
    »Warte, Leo«, rief Tisha. »Ich will sehen, was Chalkin unter ›zufrieden stellend‹ versteht.«
    »Hat man denn hier überhaupt kein Privatleben?«,
    beklagte sich Iantine und hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Gibt es in einem Weyr keine Geheimnisse?«
    »Nein, in einem gut geführten Weyr bleibt nichts verborgen«, gab Tisha ungerührt zurück. »Essen und trinken Sie. Und du, Leo, bringst diesen Korb in K'vins Weyr. Ich habe Zulaya und Meranath nicht gesehen, vielleicht sind sie in Burg Telgar gelandet.«
    Auf einmal merkte Iantine, wie erschöpft er war, und ehe die Beine unter ihm nachgaben, ließ er sich auf einen Stuhl plumpsen, den Tisha ihm einladend zurechtrückte.
    »Darf ich?«, fragte Leopol keck und machte Anstalten, Chalkins Porträt auszupacken.
    »Ich werde dich ohnehin nicht daran hindern können, einen Blick auf das Bild zu werfen«, resignierte Iantine und fing hastig den Skizzenblock auf, der herausfiel, als der Junge die Umhüllung vom Bild schälte.
    341
     
    Iantine legte den Block zur Seite. Er hatte keine Lust, seine neuesten Skizzen irgendjemandem zu zeigen.
    Kurz nachdem er die beiden kastrierten Vergewaltiger gezeichnet hatte, waren sie gestorben. Jetzt schämte er sich, weil er sich über ihre Verurteilung gefreut hatte.
    Damals hatten die Männer nicht geahnt, welche zusätzliche Strafe Chalkin über sie verhängen würde.
    Iantine fiel der Blick auf, mit dem Tisha ihn

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