Drachenauge
einfacher, wenn er einen Beruf ausübte, den er permanent im Weyr betreiben konnte, als Gegenleistung für seinen Aufenthalt dort. Aber sowie Morath fliegen gelernt hatte, konnte Debera ihn überallhin transportieren, wo man seine Dienste als Porträtist be-nötigte.
Doch noch wusste er nicht, ob sie dasselbe für ihn
empfand wie er für sie. In seinen wildesten Träumen hätte er sich nicht ausgemalt, jemals in einem Weyr zu wohnen. Beinahe schuldete er Chalkin Dank, weil er erst durch dessen schändliches Verhalten Kontakt zu dem Telgar-Weyr aufgenommen hatte. Doch nur beinahe … Ihm fielen die entsetzlich zugerichteten Menschen ein, die sie aus Bitras eisigen Verliesen befreit hatten. Er schüttelte sich.
»Ich dachte, mittlerweile hätten Sie sich an das Fliegen gewöhnt«, rief K'vin ihm ins Ohr.
»Das ist es nicht«, erwiderte Iantine. Er genoss die Drachenritte, und nach seiner ersten Erfahrung mit dem Dazwischen hatte er jedwede anfängliche Nervosität verloren. Er festigte seinen Griff um das Bild. Charanth hatte die richtige Flughöhe erreicht, die ihm ein Abtauchen in dieses schwarze, kalte Nichts erlaubte.
Meranath mit Tashvi, Salda und Zulaya auf dem
Rücken schloss rechter Hand zu ihnen auf. Wieder be-staunte Iantine den goldenen Leib der Drachenkönigin, der in der Sonne unbeschreiblich glänzte. Die drei Frauen winkten ihm und K'vin zu.
Als Iantine zurückwinkte, wunderte er sich auf einmal, wie früh am Tag es noch war. Wie viel sie in diesen wenigen Stunden doch erreicht hatten.
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Finsternis! Einen Augenblick lang fühlte Iantine nichts mehr, dann umhüllte sie strahlender Sonnen-schein, und unter ihnen lag der vertraute Vulkankegel von Telgar.
Ein Stück weiter entfernt, über den Felsenzinnen von Burg Telgar, verkündete ein goldenes Aufblitzen Meranaths Ankunft. Nun flog der große Bronzedrache anmutig eine Schleife und steuerte den heimatlichen Weyr an.
Für Iantines Geschmack passierte alles viel zu schnell.
Er genoss den Ausblick aus dieser enormen Höhe, der ihm ungeahnte Szenen offenbarte: Drachen, die auf Felssimsen in der Sonne lagen und schlummerten; junge Reiter, die einander zu Übungszwecken Säcke mit
Feuerstein zuwarfen; Weyrlinge, die ihre Schutzbefohlenen im See badeten.
Angestrengt spähte Iantine hinunter und versuchte,
Debera zu entdecken. Doch um einzelne Menschen
oder Drachen zu erkennen, flogen sie noch zu hoch. In einiger Entfernung waren zwei braune Drachen dabei, die Beutetiere, die sie soeben geschlagen hatten, mit gierigen Bissen zu verschlingen. Jählings tauchte ein anderer Drache über dem Wachreiter auf, der durch Zeichen zu verstehen gab, der Neuankömmling möge landen.
Mittlerweile hatte sich Charanth in Spiralen dem Vul-kankessel so weit genähert, dass er identifiziert wurde, und voller Begeisterung hieß man ihn willkommen.
Iantine spürte deutlich ein Rumpeln im mächtigen Leib des Tieres und fragte sich, ob dies Gegrummel der Verständigung der Drachen untereinander diente. Fest drückte er das Bild an die Brust, damit der Wind, der während des Sturzflugs an ihnen vorbeizischte, es ihm nicht aus den Händen riss.
K'vin drehte sich zu ihm und fragte: »Wo soll ich Sie absetzen? Vor dem Höhleneingang?«
»Ja, bitte.« Iantine musste all seine Kräfte aufbieten, 338
um das Bild nicht zu verlieren, so sehr rissen die Sturm-böen an der Leinwand.
Endlich durfte er absitzen, und so rasch wie möglich ließ er sich von Charanths Rücken gleiten.
»Haben Sie vielen Dank, K'vin«, sagte er hoch—
blickend, wobei er seine Augen mit der Hand vor der Sonne abschirmte.
»Keine Ursache. Sie haben sich diesen Drachenritt
mehr als verdient.«
Abermals ertönte ein Grollen aus Charanths Rumpf.
Seine gemächlich kreisenden blauen Augen fixierten
Iantine, der ihm dankbar salutierte. Der Bronzene stieß sich vom Boden ab, klatschte zwei Mal mit den Schwingen und landete auf dem Felssims vor dem Quartier der Weyrherrin.
»Endlich sind Sie wieder da!«, jubelte Leopol und
kam aus der unteren Kaverne angerannt. Vor Freude
vollführte er Luftsprünge, und Iantine musste seinen Übermut bremsen, damit er ihm nicht versehentlich das Bild aus der Hand schlug.
»Was haben Sie gemalt?«, wollte der Junge neugierig wissen.
»Es ist ein Porträt, das korrigiert werden muss«, er-klärte Iantine, der längst begriffen hatte, dass Leopol sich nicht mit Ausflüchten abspeisen ließ.
»Ach, das Bild von dem ollen Chalkin.« Leopol wollte danach
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