Drachenauge
so etwas
wie Freundschaft mit K'vin verband. Seine Bewun—
derung für den Weyrführer wuchs ständig. Zulaya
wirkte ein bisschen reserviert, das hatte er während ihrer Sitzungen gemerkt, allerdings war sie auch wesentlich älter als Iantine und hielt ihn vielleicht für einen jungen Schnösel. Und älter als K'vin war sie auch, fiel ihm ein.
»Das rote Kleid steht ihr ausgezeichnet«, sagte er, um das peinliche Schweigen zu unterbrechen.
»Ja, sie ließ es sich eigens für das letzte Ausschlüpfen 344
der Jungdrachen nähen«, erzählte K'vin. Das Lächeln, mit dem er Iantine ansah, hatte nichts Aufgesetztes oder Gekünsteltes an sich.
Iantine fragte sich, ob die jüngsten Ereignisse sein Urteilsvermögen vielleicht getrübt hatten und er sich aufgrund seiner überreizten Nerven Dinge einbildete, die gar nicht existierten. Mittlerweile hatten sie die Treppe zum Weyr erreicht und stiegen sie hoch. Oben angelangt, freute sich Iantine, dass er nicht nach Luft schnappen musste.
»Sie sind wieder topfit«, lobte K'vin ihn und ließ ihm den Vortritt in den Weyr.
»Das wurde auch höchste Zeit«, erwiderte Iantine lakonisch. Er blieb stehen, um sich an der phantastischen Aussicht zu weiden. Der Blick ging ungehindert über den See, an dessen Ufer sich die Weyrlinge mit den Drachen beschäftigten. Jawohl, jetzt hatte er Debera er-späht, die Morath einölte. Er nahm sich vor, später mit ihr zu sprechen. Vielleicht konnte er sogar gemeinsam mit ihr zu Abend essen und ihr Chalkins Porträt zeigen, ehe er es änderte.
Würde es ihm gelingen, das düstere Naturell dieses
Menschen in den Gesichtszügen zum Ausdruck zu
bringen? Zu zeigen, welche Gewissenlosigkeit und
niedrige Gesinnung sich hinter dem pompösen Äußeren verbargen?
Während er darüber nachdachte, sah er zu, wie K'vin sein bestes Gewand anlegte, in dem er sich malen lassen wollte. Leise Zweifel beschlichen den Künstler, als er diesen gut aussehenden Mann vor sich sah. Reichte sein Talent aus, eine solche Persönlichkeit zu porträtieren?
Mitten in den hektischen Vorbereitungen zum Ende
des Planetenumlaufs musste Clisser den verschnupften S'nan förmlich anbetteln, damit dieser ihn nach Telgar zur Ingenieursgilde beförderte. Clisser wollte dort mit maßgeblichen Leuten erörtern, ob es möglich sei, eine 345
Steinsetzung wie das vorzeitliche terranische Stonehenge auf Perns Zwecke umzumünzen und zu errichten.
S'nan indessen erzählte er nur, er müsse Kalvi in einer dringenden Angelegenheit sprechen. S'nan würde es ohnehin ablehnen, eine Anlage wie Stonehenge zu
bauen, um die Perneser vor der Ankunft des Roten
Sterns zu warnen. Er fand, wenn die Drachenreiter diese Warnfunktion übernähmen, genüge dies voll und ganz. Wichtig sei nur, sie während der jahrhundertelangen Intervallphase aktiv zu halten.
Jemmy hatte den prähistorischen Steinkreis gewissenhaft nachgezeichnet und mit einer Skizze ergänzt, die zeigte, wie Stonehenge ursprünglich ausgesehen haben musste. Diese Konstruktionspläne konnten Kalvi und seinem Team wertvolle Anhaltspunkte verschaffen.
Kalvi streifte die Zeichnungen zuerst mit einem abfälligen Blick, doch nach kurzem Zögern vertiefte er sich in die Pläne. Man sah ihm buchstäblich an, wie sein Respekt vor dieser Steinsetzung wuchs.
»Augenstein? Fingerfelsen? Sonnenwende?« Er
schenkte Clisser ein strahlendes Lächeln. »Mit diesen Skizzen kann man schon eine Menge anfangen.« Dann zog er die Stirn kraus. »Hätten Sie damit nicht früher an mich herantreten können? In zwei Wochen haben wir Wintersonnenwende.«
»Ich …«, begann Clisser.
»Entschuldigen Sie, mein Freund«, wiegelte Kalvi ab.
»Sie waren ja mit den Proben und anderen Dingen vollauf beschäftigt. Hmm. Lassen Sie mir die Bilder hier. Ich denke schon, dass wir etwas Geeignetes austüfteln …«
Anerkennend blätterte er in Jemmys Skizzen. »Ich muss schon sagen, der Bursche hat Talent.«
»Dass Sie ja nicht auf den Gedanken kommen, ihn
von meinem Kollegium abzuwerben«, warnte Clisser
und funkelte Kalvi so böse an, als sei er einer seiner Schüler, den er bei einer Unbotmäßigkeit ertappt hatte.
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Kalvi schmunzelte und tat so, als schrecke er ängstlich zurück, doch seine ungeteilte Aufmerksamkeit galt den Plänen. »Wir schaffen das schon.« Er stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Im Improvisieren sind wir nicht zu schlagen.«
Als Clisser sich schließlich verabschiedete, tat er dies in der festen
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