Drachenblut 01 - Die Väter
von einer Art
Urkraft ergriffen. Vorbei waren seine Zweifel und Sorgen. Er würde den Drachen
töten und diese Höhle als Sieger verlassen. Eiligen Schrittes drang er weiter
und weiter ins Innere vor. Unwirkliches Licht umgab ihn, sodass er nun auch
deutlich den Boden der Höhle erkennen konnte. Ein Bild des Grauens bot sich
ihm. Berge von Knochen und Totenschädeln lagen achtlos verstreut umher. Der
Gestank von Verwesung und Schwefel mischte sich zu einer ekelerregenden
Atmosphäre, welche ihn fast an den Rand einer Ohnmacht trieb. Er bog um die
letzte Ecke und hatte nun das Zentrum der Höhle erreicht - das Nest. Die
Situation war gespenstisch. Der Drache, etwa dreimal so groß wie ein
ausgewachsenes Schlachtross, hockte vor der Alten - fast wie ein treuer Hund.
Diese hielt ein Bündel vor ihm hoch. Siegfried konnte jedoch nicht erkennen,
worum es sich dabei handelte und so schlich er sich weiter heran. Er traute
seinen Augen kaum, als er sah, was die Alte dort in ihren Händen hielt. Es war
ein kleines Kind - kaum älter als ein paar Tage vielleicht. Nun wurde ihm auch
klar, wer die Alte war. Sie selbst hatte ihn, vor vielen Jahren, zum
Drachentöter berufen. Sie hatte die Burg und deren Bewohner vom Fluch befreit,
um damit das Grauen nur noch zu mehren - aber warum?
Siegfried
sprang entschlossen vor und stieß die Hexe grob zur Seite. Der Säugling
entglitt ihren Händen aber es gelang ihm, das schutzlose Wesen aufzufangen. Ein
rosiger Knabe war es, stellte er fest. Im gleichen Moment schon ärgerte er sich
über seine Achtlosigkeit, denn der Drache ließ ihm keine Zeit mehr für weitere
Gedanken. Er verspürte einen heftigen Schlag zu seiner Linken und wurde von den
Füßen gehoben, um einige Meter entfernt auf einem Felsvorsprung zu landen.
Schmerzen durchfuhren ihn - Schmerzen, wie er sie in seinem ganzen Leben zuvor
nicht empfunden hatte. Siegfried betrachtete seine linke Seite und stellte
fest, dass ein Stachel des Drachen sein Kettenhemd durchbohrt hatte, als ob
dies aus Papier wäre. Der schillernde Dorn steckte noch in seinem Fleisch und
brannte darin wie glühendes Eisen. Er zog ihn heraus und stöhnte unter den
Schmerzen. Jetzt blieb ihm ein wenig Zeit um seine Gedanken erneut zu sammeln.
Der Drache hatte es offensichtlich nicht eilig damit, ihn zu töten. Als er sich
umsah, da fand er, nur ein kleines Stück über ihm, eine winzige Nische im Fels.
Er bettete den Säugling darin, der den vorangegangenen Sturz gut überstanden
hatte. Nun hatte Siegfried auch Gelegenheit, sich den Drachen etwas genauer
anzusehen. Hässlich war er - ohne jede Frage. Und alt sah er aus - müde und
grimmig. Aber wie sollte er das beurteilen? Es war der erste Drache, den er zu
Gesichte bekam. Vielleicht war dies ein besonders hübsches Exemplar, das sich
eines jungenhaften Aussehens erfreute. Sei`s drum, dachte er. Er war gekommen,
um diese Bestie zu töten - ausstopfen wollte er ihn kaum.
Nun
hatte auch die Alte sich wieder aufgerappelt. Ihre Stimme erklang wie ein
unheimliches Dröhnen: »Da bist Du also, Siegfried. Hast deinen Weg gefunden und
willst töten, was seit Jahrtausenden, lange vor dir, diese Welt beherrschte.«
Sie lachte verbittert.
»Du
warst es doch selbst, die mich dereinst auserwählt hat und mir diesen Mord
bereits in die Wiege legte, alte Hexe«, gab Siegfried ihr zur Antwort und
wunderte sich, dass der Drache noch immer völlig ruhig auf seinem Knochenhaufen
saß.
»Den
Grund hierfür wirst du niemals erfahren. Aber sei sicher: Das, was deine Augen
sehen, ist nicht das, was es ist.« Jetzt warf sich die Alte dem Drachen zu
Füßen. Dieser zögerte nicht einen Augenblick und verschlang sie mit nur einem
einzigen Bissen. Aus seiner Kehle drang nun ein Licht hervor, das an Intensität
nicht zu übertreffen war. Er schluckte und Siegfried sah, wie das Leuchten in
seinen Bauch hinabwanderte, jetzt jedoch langsam erlosch. Die Alte starb in seinen
Eingeweiden. Der Drache indes, der bis eben noch wie ein zahmes Hündchen neben
seiner Herrin gehockt hatte, erwachte im gleichen Moment zu neuem Leben. Er
öffnete das Maul und gab damit eine Unzahl rasiermesserscharfer Zähne frei.
Wütend spie er Feuer, sodass sich Siegfried nur durch einen beherzten Sprung
nach rechts vor den tödlichen Flammen retten konnte. Der Drache schlug mit dem
Kopf hin und her und versuchte seinen Widersacher ein ums andere Mal zu beißen.
Bis dahin erfreulicherweise ohne Erfolg. Siegfried hatte, ein gutes Stück über
dem Untier,
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