Drachenblut 01 - Die Väter
er seinen Augen nicht traute und vor
Schock und Ekel fast mit einer Ohnmacht kämpfte.
»Was
ist das? Sagt geschwind … und deckt es wieder zu. Es ist ja kaum mit
anzusehen«, stieß er gepresst hervor.
»Ich
vermag es Euch selbst nicht sagen. Es scheint ein extrem schnell wachsendes
Geschwür zu sein, welches Euren Vater von innen heraus auffrisst. Man kann
dieser Bestie beim Wachsen zusehen. Glauben will ich es selbst kaum und gesehen
habe ich dergleichen nie zuvor - darüber seid versichert.«
»Lasst
mich mit meinem Vater einen Augenblick allein«, flüsterte Edward und schaute
dabei auf die Tür.
Wenig
später, nachdem auch Parcival gegangen war, setzte er sich ganz dicht neben
seinen Vater und er nahm dessen Hand. Kalt war sie. Fast schon hätte Edward
gedacht, dass er bereits den Tod seines Vaters zu beklagen hätte, als dieser
den Händedruck dann zaghaft erwiderte. Nun öffnete er die Augen und begann in
leisem Flüsterton: »Die Prophezeiung hat sich erfüllt - sie hat sich erfüllt.
Der Dra...« Seine Stimme versagte. Stattdessen zog nun der Graf selbst die
Decke erneut beiseite.
Falls
Edward gedacht hatte, dass es nicht schlimmer werden konnte, so wurde er nun
eines Besseren belehrt. Sein Blick fiel auf den Bauch seines Vaters und wie
schon beim ersten Mal traute er kaum seinen Augen. Das Geschwür war noch um
einiges größer geworden und es drückte derart heftig von innen gegen den Bauch,
dass zu befürchten stand, selbiger würde jeden Moment platzen. Jetzt erst nahm
Edward auch die Form des Geschwüres wahr und er wähnte sich am Rande des
Wahnsinns. Ein ganz klar zu erkennender Drachenkopf drängte sich ihm entgegen,
der die Eingeweide seines Vaters offenbar zum Bersten bringen wollte. Edward
schrie aus vollem Halse und fiel sogar von seinem Schemel nach hinten über. Die
Tür flog nach innen auf, um Parcival und dem Arzt Platz zu machen.
»Der
Drache … er ist in ihm … er frisst sich durch seinen Leib«, schrie Edward in
kreischendem Ton.
Die
Männer runzelten die Stirn. Abwechselnd blickten sie auf den Grafen und wieder
auf Edward, der wie ein Käfer auf dem Rücken zappelte.
»Sire -
der Schmerz scheint Eure Sinne zu trüben. Das Geschwür ist ohne Zweifel noch
gewachsen, einen Drachen aber vermag ich nicht zu erkennen« antwortete Parcival
gepresst.
»Bitte
lasst Euch von mir in Euer Gemach führen, junger Herr. Ihr braucht Ruhe und
einen kräftigen Kräutertee. Hier vermag niemand mehr zu helfen. Betet! Betet
für Euren Vater … auf dass der Herr es gnädig mit ihm meinen möge und es
schnell geschehen lässt ...
Kapitel 22: Die falsche Richtung
Freudig,
ja fast euphorisch hatte man den Siegfried vor dem Kinderheim empfangen. Die
Magd strahlte überglücklich, als sie ihn viel zu lang und viel zu heftig an
sich drückte. Der ansonsten so tapfere Ritter wurde rot und blickte nur
verschämt zu Boden. Weitreichende Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht hatte
er bislang nicht gesammelt. Ferner schien dies weder der richtige Ort, noch der
richtige Zeitpunkt zu sein, um daran etwas zu ändern. Obwohl ihm erst in diesem
Moment auffiel, wie hübsch die junge Magd war. Mit gewaschenem Gesicht und den
frech geflochtenen Zöpfen sah sie zum Anbeißen aus … das ließ sich nicht
bestreiten.
Am
nächsten Tag war Siegfried fast froh, als endlich der Morgen graute. Auch wenn
er die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan hatte, so fühlte er sich trotzdem
stark und entschlossen. Seine Gedanken kreisten ohne Unterlass um die
Abenteuer, welche er in den letzten Tagen bestanden hatte. Aber auch an Lucy,
die hübsche Magd, hatte er viel denken müssen. Zum ersten Mal in seinem Leben
spürte er eine seltsame Wärme in sich aufsteigen, wenn er sie anschaute - oder
auch nur an sie dachte. Als sie ihm zum Abschied erneut um den Hals fiel und
ihm einen dicken, feuchten Kuss auf die Lippen drückte, da fühlte er einen
heftigen Stich in seinem Herzen, den er nicht hätte erklären können. Weiber -
es gab, ohne Frage, noch ein paar Dinge zu lernen - so unverwundbar, wie er
sich wähnte, war er wohl doch nicht.
Kaum
hatte er das Kinderheim aus den Augen verloren, da spürte er Wehmut und
Unentschlossenheit in sich aufkeimen. Wie gerne hätte er sein Ross in Richtung
Burg gelenkt, um sich dort ausgiebig feiern zu lassen. Wie einen Helden würden
sie ihn empfangen. Er hatte den Drachen getötet und damit nicht nur den Grafen
vor dem sicheren Tode bewahrt. Von nun an sollten auch die Kinder der
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