Drachenblut 01 - Die Väter
zuteilwurde, mochte sich gar nicht vorstellen, wie diese Politik
aussehen könnte.
Am
nächsten Morgen wurde Edward, der Sohn des Grafen, früh wach. Er wusch sich
flüchtig und eilte voll Tatendrang in den Burgsaal. Er hoffte, dort bereits
seinen Vater anzutreffen. Der Saal lag jedoch, anders als erwartet, nur dunkel
und schmutzig vor ihm. Es stank fürchterlich und einiges deutete darauf hin,
dass die umherliegenden Obdachlosen zur Verrichtung ihrer Notdurft nicht einmal
mehr den Saal verlassen hatten. Edward brüllte und wütete völlig hemmungslos.
Wahllos schlug er, ohne Rücksicht auf Verluste, auf die am Boden liegenden
Männer ein. Jetzt versuchte sich einer der Narren sogar in Gegenwehr. Edward
zerschlug einen fast vollen Bierkrug auf dem Kopf des Bettlers. Sein Schädel
platze regelrecht - jegliche Hilfe käme zu spät.
»Raus!
Raus mit Euch, Ihr nutzlosen Schweine«, schrie Edward ungehemmt, um gleich
schon wieder auf den Nächsten einzutreten.
Nur den
herbeigeeilten Wachen gelang es, weitere Opfer zu verhindern. Selbst eine
Handvoll Ritter hatte Mühe damit, den rasenden Edward zur Vernunft zu bringen.
Der Saal leerte sich nun zügig, sodass der Grafenspross langsam wie Ruhe fand.
»Wo ist
mein Vater ... hat ihn jemand bereits erblickt?«, erkundigte er sich atemlos.
»Ich
werde Euren Vater wecken«, gab Parcival pflichtbewusst zur Antwort, um schon im
gleichen Moment davonzueilen.
Ritter
Eric, seines Zeichens Hauptmann der Leibwache, betrat den Saal und näherte sich
zielstrebig Edward. »Sire! Geht es Euch gut? Kann ich Euch zu Diensten sein,
edler junger Herr?«
»Allerdings
kannst du zu Diensten sein, lieber Eric«, erwiderte Edward ungewöhnlich
freundlich, »eile hinaus und töte nicht weniger als zehn dieser nutzlosen
Barbaren.« Sein teuflisches Grinsen erschreckte sogar den sonst furchtlosen
Ritter.
»Aber
Sire - Euer Vater selbst war es, der diese Männer eingeladen hat. Und sie haben
doch nur ihren Rausch ausgeschlafen.«
»Es
soll ihr Letzter gewesen sein - oder möchtest du vielleicht ihr Schicksal
erleiden, getreuer Eric?«, zischte Edward in leisem, aber bedrohlichem Ton.
»Wie
Ihr wünscht, Sire«, gab Eric nun widerwillig zur Antwort. »Ich habe Befehl von
Eurem Vater, jede Eurer Anordnungen auszuführen - es soll also so sein.« Eilig
entfernte sich der aufrechte Ritter.
Mit
Tritten und Schlägen trieben die Wachen den Rest der Obdachlosen aus dem
Burgsaal. Edward folgte dem Tross johlend und genoss das Leid der Männer
sichtlich.
»Ruft
mich, wenn Ihr es vollbracht habt. Ich will die leblosen Körper dieser
nutzlosen Kreaturen sehen. Ihren Scheiterhaufen werde ich höchstpersönlich
entzünden«, spottete er im Fortgehen.
Zurück
im Burgsaal schrie er die Diener und Knechte ungehobelt an, sodass manch einem
die Freude der letzten Tage schon jetzt mehr als gründlich verdorben war.
»Wenn
der Saal nicht bis zum heutigen Abend wieder in seinem alten Glanz erstrahlt,
dann könnt Ihr bereits bei Sonnenaufgang das Holz für Euren eigenen
Scheiterhaufen sammeln.«
Keinem war
mehr nach Feiern zumute. Niemand wagte es, Edward direkt in die Augen zu sehen
oder mit der Arbeit auch nur einen Wimpernschlag lang auszusetzen.
Parcival,
der Diener des Grafen eilte herbei, fasste Edward energisch am Arm und zog ihn
beiseite. Noch bevor dieser hätte protestieren können, setzte der Diener
flüsternd an: »Herr, es geht Eurem Vater schlecht. Bitte folgt mir in sein
Schlafgemach. Aber erschreckt nicht - er sieht zum Gotterbarmen aus.«
Beide
eilten mit langen Schritten die Treppen hinauf, um wenig später atemlos das
Schlafgemach des Grafen zu erreichen. Der Leibarzt hockte bereits dicht an
seinem Bett. Besorgt schaute er Edward an, als dieser neben ihn trat.
»Junger
Herr - es steht mehr als nur schlecht um Euren Vater. Ich befürchte, dass er
den morgigen Tag nicht erleben wird.«
»Wie
kann das sein?«, kreischte Edward fast hysterisch. »Ihr müsst Euch irren! Noch
am gestrigen Abend erfreute sich mein Vater bester Gesundheit. Es ist, als ob
er mir eben noch sagte, dass diese Tage die besten seines Lebens wären. Und nun
wollt ausgerechnet Ihr mir sagen, dass ich ihn morgen zu Grabe tragen werde?
Wenn das ein Scherz sein soll, dann ist es ein schlechter - hütet also Eure
Zunge.«
Der
Arzt antwortete nicht, sondern zog stattdessen die Bettdecke des Grafen
beiseite, sodass dessen nackter Bauch zum Vorschein kam. Edward zuckte vor
Schreck zusammen. Ihm war anzumerken, dass
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