Drachenblut 01 - Die Väter
zweiter, ebenso hagerer Mann,
welcher bereits sein langes Messer gezogen hatte - offensichtlich gewillt, es
Siegfried ohne zu zögern zwischen die Rippen zu rammen. Auf dem hölzernen
Küchentisch lag ein Kleinerer, der gefesselt war und sich unter den Stricken lebhaft
wand. Am Boden lagen die Reste einer großen, irdenen Rührschüssel. Deren
Zerbersten ohne Frage die Ursache für den vorangegangenen Krach war.
Siegfried
ärgerte sich. Hätte er doch nur sein Schwert gezogen, bevor er so ungestüm in
die Küche vorgedrungen war. Als er nun das Messer auf sich zuschießen sah, da
konnte es nur mit seinem Unterarm abwehren. Krachend brach die Klinge und
landete scheppernd auf dem Boden vor seinen Füßen. Der zweite Hagere schaute
ungläubig und wirkte wie versteinert. Diese Gelegenheit galt es nun zu nutzen.
Siegfried zog sein Kurzschwert und erlegte, schon mit der ersten, weit
ausholenden Bewegung, diesen Angreifer mit nur einem Streich. Erschrocken
stellte er fest, wie banal und selbstverständlich ihm das Töten mittlerweile erschien.
Zu seinen Füßen ließ das Zucken des Sterbenden langsam nach. Jetzt sprang auch
der angebliche Wirt in die Küche. Er schwang eine Art Morgenstern über seinem
Kopf und wollte bereits Maß zu nehmen, vermutlich um dem tapferen Drachentöter
damit den Schädel einzuschlagen.
In
seiner Ausbildung zum Ritter hatte Siegfried eines gelernt: Je unbeherrschter
ein Angreifer seine Waffe führt, desto leichter ist es, ihn zu besiegen.
Ruhiges und besonnenes Taktieren, aus einer sicheren Defensive heraus, ist oftmals
schon der halbe Sieg. Also ließ Siegfried den Hageren einfach ins Leere laufen
und rammte ihm sein Schwert von hinten ungehindert zwischen die
Schulterblätter. Jäh erstarb der Angriffsschrei und wich einem gurgelnden
Röcheln. Nun konnte Siegfried auch sehen, welches Ziel der Morgenstern zwar
nicht gesucht, aber dennoch gefunden hatte. Er steckte im Oberschenkel des
kleinen Mannes und hatte diesen bis auf die Tischplatte herunter durchbohrt,
auf der dieser immer noch gefesselt lag. Siegfried eilte zum Tisch herüber und
riss ihm den Lappen aus dem Mund, um es schon im gleichen Moment bitter zu
bereuen. Der Mann schrie wie am Spieß. Fast hätte Siegfried ihm den Lappen in
den Mund zurückgeschoben, als er sich eines Besseren besann. »Seid Ihr der
Wirt? Versucht Ruhe zu bewahren … das Schreien hilft Euch nicht - es kostet nur
Kraft!«
Der
Kleine nickte zaghaft und versuchte immer wieder die Lippen zusammen zu
pressen. Es dauerte zwar noch einige Augenblicke, aber langsam wurde aus dem
Geschrei ein Wimmern, welches an Intensität abnahm.
»Bitte
helft mir.« Tränen rannen über das entstellte Gesicht des Mannes.
»Was
kann ich tun? Wenn ich die Waffe entferne, dann werdet Ihr in kurzer Zeit
verbluten«, entgegnete Siegfried ihm nüchtern.
»Im
Schankraum findet Ihr einen Schrank. Dort sind Verbände … saubere Tücher. Bitte
lasst mich hier nicht einfach so verrecken.«
Siegfried
eilte in die Gaststube zurück und sah sich um. An der gegenüberliegenden Wand
entdeckte er den Schrank, von dem der Wirt gesprochen hatte. Er riss die Türen
auf und klemmte sich allerlei saubere Lappen und Tücher unter den Arm. Schon
wollte er zurückeilen, als ihm eine Fellmütze auffiel, die ein Regal höher lag.
Er zuckte zusammen. Das war Gunthers Mütze, daran gab es keinen Zweifel.
Natürlich gab es viele Kopfbedeckungen dieser Art aber Gunthers war
unverwechselbar.
Kate
hatte am ersten Tag ihrer gemeinsamen Reise ein totes Eichhörnchen gefunden und
es liebevoll vom Boden aufgelesen. Als sie es am Ende des Tages aus ihrem
Beutel fischte, da war Gunther fürchterlich wütend auf sie geworden und hatte
versucht, ihr das steife Tier abzujagen. Als er es endlich zu packen hatte, da
zog Kate von der einen und er von der anderen Seite. Es kam, wie es kommen
musste. Kate fiel auf ihr Lager zurück und Gunther dumpf auf sein Hinterteil.
In der Hand hielt er nur den Schweif des Nagetieres. Kate war schrecklich böse
geworden und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf den Knappen ein. Siegfried
hatte die Ereignisse beobachtet und war am Ende lachend aus seinem Bett gefallen.
Besonders in Momenten der Anspannung waren solche Aufheiterungen doch mehr als
willkommen. Um Kate am Ende noch den Rest zu geben, hatte Gunther den
hellbraunen Schweif an das Fell seiner Mütze genäht. Sie wollte den unsensiblen
Knappen die nächsten drei Tage ignorieren, hielt damit aber nur bis zum
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