Drachenblut
wäre.
Plötzlich durchfuhr Kâtan und Mâtal ein Ruck, und sie bewegten sich auf ihre Drachen zu.
»Lorana bittet uns, zurückzukehren«, sagte Kâtan. »Arith hat Hunger, und Lorana will sie nicht allein zum Fressen losschicken.«
»Ich bleibe noch ein bisschen hier, wenn niemand etwas dagegen hat«, erwiderte Kindan.
»Bis nach unten ist es ein weiter Weg«, warnte Kâtan ihn. »Ãber zehn Drachenlängen, wenn nicht noch mehr.«
»Das macht nichts«, winkte Kindan ab. »Die Bewegung wird mir gut tun.«
»Bist du sicher, dass du nicht mit uns kommen willst?«, erkundigte sich Mâtal.
»Absolut«, gab Kindan zurück. Mâtal schwang sich auf seinen Drachen und winkte Kindan zum Abschied zu. Sein Reittier stieà sich mit den gewaltigen Hinterpranken vom Boden ab und näherte sich im Gleitflug dem Grund des Kraterkessels.
»Wenn mich jemand sucht, ich bin im Archiv und gehe noch mal die Aufzeichnungen durch«, rief Kâtan, während er sich auf dem Nackenwulst seines Drith zurechtrückte.
Drith sprang mit einem mächtigen Satz in die Luft, zog ein paar weite Kreise und schraubte sich in behäbigem Tempo in die Tiefe.
Nachdem Kindan die Drachen mitsamt ihren Reitern aus den Augen verloren hatte, kehrte er sein Gesicht der aufgehenden Sonne zu. Sie stand nun dicht über dem Horizont, und ihr Schein blendete ihn so stark, dass er im Osten keine Einzelheiten mehr ausmachen konnte. Er drehte sich um, und mit der Sonne im Rücken schaute er nach Süden. Ganz deutlich erkannte er die TunnelstraÃe, den auf dem Hochplateau im Licht schimmernden See und die schroffen Felswände des Benden Weyrs, die allmählich in der Tiefebene ausliefen.
Kindan stammte aus einer Bergarbeiterfamilie und war in einer Zechensiedlung groà geworden. Aus diesem Grund empfand er den Benden Weyr als eine Art Wunder; die Menschen, die schon immer hier gelebt hatten, betrachteten gewisse Dinge als selbstverständlich, weil sie keine
Ahnung hatten, was für ein technologisches und logistisches Meisterstück ein Weyr darstellte. Er hingegen, mit seinen bergmännischen Fachkenntnissen und seinem geschulten Auge, vermochte dieses von der Natur vorgegebene, aber durch Menschenhand vervollkommnete Glanzstück zu würdigen und voller Ehrfurcht zu bestaunen.
Sein Blick wanderte nach Norden, zu dem ausgeklügelt konstruierten Wasserreservoir, das noch höher lag als die Sternsteine. Aus dem künstlich angelegten See ergoss sich ein Wasserfall, der in Kanäle geleitet wurde, die nach Norden und Süden hin abzweigten und den gesamten Weyr, der aus neun unterschiedlichen Ebenen bestand, mit flieÃendem Wasser versorgten. Zum Schluss, nachdem die Wasserströme jede Kaverne, die der Allgemeinheit diente, und jeden einzelnen Weyr, in dem die Drachen mit ihren Reitern wohnten, durchzogen hatten, sammelten sie sich in einem Ablaufbecken und schossen lotrecht in eine Kläranlage, die sich tief im Erdboden, unterhalb von üppig blühenden Wiesen, als ein gigantisches unterirdisches Höhlensystem erstreckte.
Die Weyr auf jeder Stufe waren durch einen langen Korridor miteinander verbunden, der am Innenrand des Kraters entlangführte. Von den jeweiligen Korridoren gelangte man über breite Treppenstufen auf den Grund des Kraterkessels. Jeder bezugsfertige Weyr â an vielen wurde noch gebaut â besaà ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und ein Bad für den Reiter; der Drache lebte in einer angrenzenden groÃen Kaverne, die seinen Bedürfnissen entsprach. Die meisten Weyr hatten weià gekalkte Wände, aber manche waren auch in prachtvollen Farben gestrichen, in Blau, Grün, Bronze und Gold. Einige Bewohner setzten farbliche Akzente, indem sie Muster in allen möglichen Schattierungen von Purpur, Rosa und Braun auf die Wände pinselten.
Kindan sah mit einem Blick, ob es sich bei den Weyrn um die Kavernen handelte, die die ersten Siedler aus dem Felsen gehauen hatten, oder ob die höhlenartigen Zimmer neueren Datums waren. Obschon auch die jüngeren Bauten stets von hohem handwerklichem Geschick zeugten, waren die Originalweyr regelrechte Kunstwerke; offenbar beherrschten ihre Vorfahren eine Technik der Steinbearbeitung, die mittlerweile verloren gegangen war; in den alten Weyrn sahen die Wände aus wie poliert, jeder Winkel und jede Nische waren exakt vermessen.
Die Treppe, die von der
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