Drachenblut
Kâtan, Kindan und Lorana â die man aufgrund ihrer Fähigkeit, mit jedem beliebigen Drachen kommunizieren zu können, eingeladen hatte â hielten im Besprechungszimmer eine eilig einberufene Krisensitzung ab. Man kam überein, die Weyr für AuÃenstehende zu sperren, Feuerechsen keinen Zugang mehr zu gewähren, und sich so weit wie möglich mittels Telepathie zu verständigen. Als allgemein bekannt wurde, dass Lorana mentalen Kontakt zu allen Drachen aufnehmen konnte, schlug Cârion vor, sämtliche Gespräche über das Mädchen laufen zu lassen, denn das ginge wesentlich schneller vonstatten, als jede einzelne Botschaft vom Reiter zu seinem eigenen Drachen zu übermitteln, der dann quasi die Stelle einer Relaisstation übernähme. Der durch seinen menschlichen Partner kontaktierte Drache hätte sonst mit dem Reittier in Verbindung treten müssen, mit dessen Reiter wiederum ein Nachrichtenaustausch erwünscht war.
Kindan runzelte die Stirn. »Ich frage mich, ob das nicht ein bisschen zu viel für Lorana wäre. Denn wie es scheint, kann sie die Drachen nicht nur hören, sondern sie nimmt auch an ihren Gefühlen teil.«
Cârion verschlug es vor Verblüffung die Sprache. »Wie soll ich das verstehen?«, fragte er. »Kann sie etwa spüren, wenn die Drachen sterben?«
Lorana nickte.
Die Erinnerungen an Brianths Tod und an das Sterben der anderen Tiere traf sie wie ein heftiger Schlag.
»Zum Glück habe ich Arith«, wiegelte sie ab und blickte lächelnd in die Richtung, in der ihr Quartier lag. »Wir trösten uns gegenseitig.«
»Ich bin froh, das zu hören«, hatte Cârion aus vollem Herzen erwidert. »Zurzeit musst du eine Menge mitmachen.«
»Ich glaube, anderen ergeht es wesentlich schlimmer als mir«, fand Lorana. »Denn ich habe ja immer noch meinen Drachen.«
Kindan riss sich aus seinen Grübeleien und kehrte mit seinen Gedanken in die Realität zurück. Fröstelnd verkroch er sich tiefer in seine Wherlederjacke und warf einen Blick auf die Sternsteine, deren Warnung von der unmittelbar bevorstehenden Gefahr kündete. »Müsste Tullea nicht auch an diesem Treffen teilnehmen?«, wandte er sich an Mâtal.
Mâtal schürzte die Lippen. »Sie meinte, sie brauche ihren Schlaf«, zitierte er sie. Man sah ihm an, dass er zwischen Missbilligung und Sympathie schwankte. Kindan verstand ihn â sie alle hatten durch den ungeheuren Stress Federn gelassen.
»Und was ist mit den anderen Bronzereitern?«
»Bânik sagte mir, er würde sich auf mein Urteil verlassen«, entgegnete Mâtal. »Und die anderen schlossen sich ihm an.«
Nach dem Tod von Breth war Tulleas Minith die Höchste Königin im Benden Weyr. Wenn sie zum Paarungsflug aufstieg, ging die Führung des Weyrs an den Bronzereiter über, von dessen Drachen sie sich befliegen lieÃ. Alle rechneten damit, dass es Bâniks Drache sein würde, den Minith sich zum Partner erwählte, doch Tullea hatte es sich nicht nehmen lassen, mehreren anderen Reitern schöne Augen zu machen. Mâtal hatte sich demonstrativ geweigert, auf Tulleas amouröse Anspielungen einzugehen, sondern brachte seine freie Zeit damit zu, Salina zu trösten.
In diesem Augenblick war es freilich Lorana, die bei Salina weilte. Kindan konnte nachempfinden, welche Qualen Salina und all die anderen Reiter, die ihre Drachen verloren hatten, erdulden mussten. Er selbst hatte ja Ãhnliches erlebt; als Junge hatte er seinen Wachwher sterben sehen, und vor kurzem war seine Feuerechse eingegangen.
Er als Harfner fing die traurige Stimmung in Liedern und Balladen ein â denn wer einen Drachen verlor, mit dem er in einer mentalen Partnerschaft lebte, durchlitt noch gröÃere Schmerzen als jemand, der von einem geliebten Menschen Abschied nehmen musste. Wenn ein Drache starb, war es, als würde sein Reiter entzweigerissen, und dieser Riss zog sich mitten durch Herz und Seele.
Manche Menschen erholten sich nie wieder von dem Schicksalsschlag. Sie verweigerten das Essen, lieÃen sich nicht trösten; sie siechten dahin.
Anderen gelang es, Kraft aus der Anteilnahme von Freunden und menschlichen Partnern zu schöpfen und sich ein neues Leben aufzubauen. Aber Kindan hatte noch nie gehört, dass ein Drachenreiter nach dem Verlust seines Drachen in einem Weyr geblieben
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