Drachenblut
Schwingenspitze eines Drachen zu richten, hast du das letzte Mal einen kleinen Happen zu dir genommen. Im Stehen!«
»Aber es gibt hier so viel zu tun!«, protestierte Lorana und zeigte auf den hohen Stapel ungelesener Texte.
Salina kam in den Raum und setzte sich an den Tisch. Als Lorana sie ansah, deutete die Weyrherrin mit dem Kinn in Richtung Tür.
»Ich springe für dich ein, bis du deine anderen Pflichten erledigt hast«, erbot sich Salina. »AuÃerdem habe ich jemanden sagen hören, die Beschäftigung mit den Berichten über Drachen gehöre ohnehin zu den Obliegenheiten einer Weyrherrin.«
Kindan brachte es nicht über sich, Salina zu korrigieren und sie darauf hinzuweisen, dass der Kritiker Tullea gemeint hatte, und nicht sie.
»Und bitte Mikkala, er soll uns ein paar unverbrauchte Leuchtkörbe hochschicken«, rief Salina Lorana hinterher, als die schon im Korridor stand. Dann richtete sie das Wort an Kindan. »Nun, Harfner, wonach genau suchen wir?«
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Zwei Tage später, als Fädenfall für das Tiefland von Benden und die Hochebene von Nerat angesagt war, verzog Mâtal grimmig das Gesicht. Drei der schwer verwundeten Drachen waren ins Dazwischen gegangen. Und acht weitere Drachen schienen zu fiebern. Für den bevorstehenden Einsatz standen ihm lediglich einhundertsechsundneunzig Drachen zur Verfügung â etwas mehr als zwei Kampfverbände â und dieses Kontingent musste ausreichen, um Nerat zu verteidigen.
Aber dieses Mal benutzen wir eine geschicktere Strategie, sagte er sich zuversichtlich.
Aus Aufzeichnungen über den Zweiten Vorbeizug des Roten Sterns wusste Mâtal, dass der Weyr bereits mit weniger als drei Kampfverbänden erfolgreich gegen die Fäden gekämpft hatte. Aber er hatte auch gelesen, dass die Opferzahlen wesentlich höher ausfielen, wenn ein Weyr nicht mit voller Kampfstärke antrat.
Nun, uns bleibt gar keine andere Wahl, als mit dem auszukommen, was wir haben, dachte er bei sich. Gaminth, gib den Befehl, ins Dazwischen einzutauchen. Unser Ziel ist die Landspitze von Nerat .
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Das üppige Grün der Niederungen von Benden unter sich, droben der blaue, wolkenlose Himmel, betrachtete Mâtal zufrieden die in Formation arrangierten Kampfverbände, die auf die heranrückende Fädenfront warteten. Einen Schwarm hatte er in groÃer Höhe postiert, dahinter und ein wenig tiefer versetzt lauerte die Verstärkung. Die sechzehn überzähligen Drachen bildeten ein verkürztes Geschwader, formierten sich hinter der zweiten Kette als Nachhut und hielten sich bereit, entweder rasch entstehende Breschen zu schlieÃen oder auch im Verbund einzugreifen.
Mâtal blinzelte und suchte den Himmel nach Anzeichen für Fäden ab. Vielleicht hatten sie ja auch Glück, und der gefürchtete Sporenregen blieb einmal aus.
Das Gebrüll eines Drachen alarmierte ihn. Dort hinten! In der Ferne erspähte er die Fädenfront, ein matter, silbriger Fleck am Firmament. Absolut synchron reckten die Drachen die Hälse nach hinten, um sich von
ihren Reitern mit Feuerstein füttern zu lassen; und wie ein Mann stopften die Reiter ihnen die phosphinhaltigen Gesteinsbrocken ins Maul. Mit simultanen Kaubewegungen zermalmten die Tiere die Steine, um sie in ihrem zweiten Magen zu verdauen.
Im Gleichklang mit den Schwingen schlagend, schossen die Drachen auf die Fädenfront zu.
Doch dann hörte Mâtal, wie ein paar Drachen hinter ihm schmetternd trompeteten, als wollten sie jemanden anfeuern. Verdutzt drehte Mâtal sich um und entdeckte den Grund für den Aufruhr.
»Was fällt ihr ein?«, donnerte Mâtal aufgebracht.
Tief unter ihm, ein gutes Stück nach hinten versetzt, sah er die gigantischen Schwingen von Bendens einziger ausgewachsener Drachenkönigin.
Achtung, Fäden!, rief Gaminth â doch die Warnung kam zu spät. Ein glühender Strom verbrannte Mâtals Wange und Brust, ehe das kalte Nichts des Dazwischen die entsetzlichen Schmerzen linderte.
Mit der behandschuhten Faust riss Mâtal die steifgefrorenen Fäden von seiner Reitkluft, und dann tauchten sie wieder in das helle Tageslicht ein.
Gaminth, sag ihr, sie soll in den Weyr zurückkehren!, befahl Mâtal.
Minith teilt mir mit, dass Tullea nur ihre Pflicht erfüllt, wenn sie gemeinsam mit den Geschwadern gegen die Fäden kämpft, meldete Gaminth seinem
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