Drachenblut
Bânik, Kindans Blickrichtung folgend.
»Es ist noch nicht komplett«, sagte Kindan, »und die Zahlen scheinen
nicht zu stimmen. Ich vermute, manche Leute haben die ersten Symptome entweder nicht erkannt oder einfach ignoriert.«
Bânik räusperte sich vernehmlich und gab Kindan ein Zeichen, er möge auf den Punkt kommen.
»Das hier ist eine Liste der Drachen, die wir verloren haben«, ergriff Ketan das Wort. »Mit Schätzungen, wie lange die Krankheit dauerte, angefangen von den ersten Symptomen bis zum â¦Â« Er brach ab.
Es folgte eine bedrückende Stille, die dann von Kindan unterbrochen wurde. »Wie ich schon sagte, ich glaube, dass die Angaben ungenau sind, weil die Reiter die Erkrankung ihrer Drachen nicht unverzüglich meldeten.«
»Drei Siebenspannen scheint die längste Periode zu sein, die zwischen dem Ausbruch der Krankheit und dem Tod liegt«, fiel Lorana mit nüchterner Stimme ein, während sie Bânik offen ins Gesicht schaute. »Und da Caranth schon eine ganze Weile hustet â¦Â«
»Mindestens seit einer Siebenspanne«, ergänzte Bânik. Er lieà sich auf einen Stuhl sinken, stützte den Kopf in beide Hände und schloss die Augen. Lorana wusste, dass er nicht mit Caranth kommunizierte. Kurz darauf hob er den Kopf und sah Mâtal mit fiebrig glänzenden Augen an. »Wenn Caranth etwas zustöÃt, möchte ich, dass du die Führung des Weyrs übernimmst.«
»Ich hoffe, das wird nicht nötig sein«, erwiderte Mâtal und machte eine Handbewegung, als lehne er den Vorschlag strikt ab.
»Auf jeden Fall musst du beim nächsten Fädenfall als Einsatzleiter fungieren, Mâtal«, fuhr Bânik fort. Er musste sich zusammenreiÃen, ehe er die Worte über die Lippen brachte: »Caranth schafft es nicht mehr.«
Lorana seufzte vor Erleichterung. Bânik gönnte ihr ein verlegenes Lächeln und wandte sich wieder Mâtal zu. »Viele kampffähige Drachen sind allerdings nicht mehr übrig.«
»Ich weië, gab Mâtal zurück. Er warf Ketan einen Blick zu.
»Vergangene Nacht verloren wir weitere zehn Drachen â fünf schafften es nicht einmal mehr, ins Dazwischen einzutauchen, und ihre Leichen liegen immer noch in ihren Weyrn«, teilte der Heiler mit. »Und wenn es so weitergeht wie bisher, werden bis zum nächsten Fädenschauer weitere zwanzig Drachen durch die Krankheit sterben.«
Die anderen waren zu geschockt, um zu antworten.
»Erzähl auch den Rest«, forderte Kindan den Heiler auf.
»Heute früh sind weitere sieben Drachen erkrankt.«
»Sieben!«, sagte Bânik erschrocken.
»Es könnte auch eine gute Nachricht sein«, warf Lorana hoffnungsvoll ein. Die anderen starrten sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Vielleicht ist das ein Zeichen, dass die Infektion ihren Gipfelpunkt erreicht hat und nach dieser Krise geht die Anzahl der Neuerkrankungen vielleicht zurück.«
»Nur wird es dann keine Drachen mehr geben«, bemerkte Tullea mürrisch von der Tür her. Mit langen Schritten trat sie ein und maà die Anwesenden mit provozierenden Blicken. »Warum hat man mich nicht informiert, dass eine Konferenz stattfindet?«
»Du hast geschlafen«, erklärte Bânik.
Tullea fasste Lorana ins Auge. »Was hast du hier zu suchen, wenn ich fragen darf?«
»Lorana nimmt auf meinen Wunsch hin an dieser Besprechung teil«, erwiderte Kindan mit scharfer Stimme.
»Und auch auf meinen Wunsch«, ergänzte Bânik. Er bedeutete Tullea, sie möge Platz nehmen. Doch sie blieb hoch erhobenen Hauptes stehen.
»Wie lange wird es noch dauern, bis Caranth stirbt?«, wandte sich Tullea an Lorana.
Lorana zeigte auf Ketan, da er als Weyrheiler die richtige Person war, um diese Frage zu beantworten.
»Ich will es aber von dir wissen, du Drachenmörderin!«, keifte Tullea.
»Tullea!«, donnerte Bânik und übertönte die Proteste der übrigen Anwesenden. »Du wirst dich auf der Stelle entschuldigen!«
»Warum?«, entgegnete Tullea. »Ihren eigenen Drachen hat sie selbst umgebracht, daran besteht nicht der geringste Zweifel!«
»Sie hat nach einem Heilmittel gesucht!«, widersprach Kindan mit wütend blitzenden Augen.
»Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich genauso gehandelt«, legte Ketan nach.
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