Drachenblut
»Lorana hat für ihren verzweifelten Versuch, Arith zu retten, einen hohen Preis bezahlt. Ich finde es empörend, dass du jetzt noch Salz in die Wunde streust, Tullea.«
Tullea plusterte sich auf, denn mit diesem Widerspruch, der ihr von allen Seiten entgegenschlug, hatte sie offenkundig nicht gerechnet. »Ich bin hier die Weyrherrin! In diesem Weyr ist mein Wort Gesetz, und du schuldest mir absolute Loyalität, Heiler!«
Langsam erhob sich Ketan von seinem Platz, legte die Finger auf die Tischplatte und beugte sich leicht nach vorn. »Ich war an deine Weisungen gebunden, Weyrherrin, solange ich noch ein Drachenreiter war. Als solcher war ich durch meine Ehre verpflichtet, der Reiterin der Obersten Königin Gefolgschaft zu leisten.« Er spuckte die Worte in verächtlichem Ton aus, der keinen Zweifel daran aufkommen lieÃ, wie gering er Tullea als Menschen einschätzte. »Doch da ich kein Drachenreiter mehr bin, schulde ich dir gar nichts! Wem ich meinen Respekt zolle, ist von nun an einzig und allein meine Sache!«
Er straffte die Schultern, schob den Stuhl zurück und verbeugte sich vor Lorana, ehe er sich vom Tisch abwandte. »Es ist mir zuwider, mit einem Menschen in einem Raum zu weilen, der Loranas Handlungsweise in Frage stellt.«
Ohne sich einmal umzusehen verlieà er das Archiv. Gleich nach ihm sprang Kindan auf und folgte dem Heiler nach drauÃen, griff im Vorbeigehen nach Loranas Arm und zog sie ohne viel Umstände mit sich.
Eine Weile war jeder vor Ãberraschung wie gelähmt. Bânik war der Erste, der sich von seinem Schock erholte. »Was fällt dir ein, so einen schändlichen Auftritt zu veranstalten!«, brüllte er Tullea an. »Du hast dich bis auf die Knochen blamiert. Es ist ein Skandal, wie du dich aufführst. Ich frage mich, wozu dieses Theater gut sein sollte!«
Alles Blut wich aus Tulleas Gesicht, als ihre Blicke zwischen Bânik und Mâtal hin und her huschten. Erst als sie die wütenden Mienen der beiden sah, schien ihr das Ungeheuerliche ihrer Entgleisung bewusst zu werden.
Â
Als Tullea am nächsten Tag Lorana aufsuchen wollte, um sich bei ihr zu entschuldigen â nachdem sie sich die ganze Nacht lang erbittert mit Bânik gestritten hatte â, stellte sie zu ihrem nicht geringen Verdruss fest, dass Loranas Quartier völlig leer geräumt war.
»Sie ist umgezogen«, erklärte Mikkala, als Tullea sie zur Rede stellte.
»Wohin?«, schnauzte Tullea.
Mikkala tat sich schwer mit der Antwort; sie beugte sich über den Kochkessel und rührte vehement in dem Eintopfgericht.
»Mikkala!«, wiederholte Tullea, wobei sich ihre Stimme drohend in die Höhe schraubte, »wo schläft Lorana jetzt?«
»Ich glaube, der Harfner hat ihr eine Heimstatt in seinen eigenen Räumen angeboten«, bequemte sich Mikkala schlieÃlich zu antworten.
Frustriert gab Tullea einen Laut von sich, der halb Stöhnen, halb Knurren war, stampfte mit dem Fuà auf wie ein bockiges Kind und stürmte aus der Küchenkaverne. Auf halber Strecke zum Quartier des Harfners entdeckte sie Lorana, Kindan, Mâtal und Bânik, die in ein lebhaftes Gespräch verwickelt waren.
»Was geht hier vor?«, fragte sie misstrauisch, ihre Friedensmission vergessend.
»Es gibt Neuigkeiten aus dem Fort Weyr«, erwiderte Bânik mit strahlendem Lächeln.
»Neuigkeiten aus Fort?«, schrie Tullea. »Ich dachte, wir seien übereinkommen, keine Drachenreiter aus anderen Weyrn hereinzulassen!«
»Lorana empfing die Nachricht direkt von Kâliors Rineth«, erklärte Mâtal.
»Sie kann nämlich mit jedem Drachen kommunizieren, weiÃt du«, erinnerte Bânik.
Tullea zog einen Schmollmund. »Und was hatte Rineth zu sagen?«
»Die Weyrlinge und die verletzten Drachen vom Fort Weyr haben erfolgreich eine Zeitreise unternommen«, erzählte Lorana.
»Ja, und?«
»Sie begaben sich in den alten Igen Weyr zurück, in eine Zeit vor dem Vorbeizug, und verbrachten dort drei Planetenumläufe. Und vor zwei Tagen kämpften sie über Keroon gegen die Fäden.«
»Weyrlinge kämpften gegen Fäden?«
»Jetzt sind sie keine Weyrlinge mehr«, berichtigte sie Kindan. »Deshalb lieà Kâlior über seinen Rineth Kontakt zu Lorana aufnehmen. Er bat sie, die Botschaft an alle Weyr weiterzugeben. Kâlior schlägt vor, die
Weitere Kostenlose Bücher