Drachenblut
wegwerfende Geste. »Aber es dauert nie lange. Sie sind im Nu wieder gesund.«
»Und wie war das mit der Pest?«, fragte Lorana mit leisem Schauder.
»Die Pest befiel Menschen, keine Drachen, und die Drachenreiter legten Wert darauf, sich vom Volk abzusondern.« Jâtrels Miene umwölkte sich. »Manche Leute sagen, wir hätten uns viel zu sehr isoliert.«
Lorana schüttelte energisch den Kopf. »Da denke ich anders. Pern ist auf Drachen angewiesen, um die Fäden zu bekämpfen, und die Drachen wiederum brauchen ihre Reiter.«
Jâtrel lächelte, legte den Arm um Loranas Schultern und drückte sie kurz an sich. »Du gefällst mir. Das ist die richtige Einstellung.«
Weil Lorana sich in Begleitung eines Drachenreiters befand, wurde sie nicht von der Menschenmenge herumgestoÃen; jeder, der sie sah, machte ihnen respektvoll Platz. Jâtrel hielt die Ehrerbietung, die die Bewohner der Meeresburg ihm zollten, für selbstverständlich; er fand, diese privilegierte Behandlung stünde ihm als Drachenreiter zu. Er schritt zügig aus, um die vertrödelte Zeit wettzumachen.
Lorana hatte Mühe, sein Tempo mitzuhalten. Jâtrel bemerkte es und streifte sie mit einem besorgten Blick. »Geht es dir nicht gut?«
Lorana riss sich zusammen und wiegelte ab. »Ich bin nur ein bisschen müde, mehr nicht. Vielleicht bin ich heute zu lange gelaufen.«
Du hast zum ersten Mal eine Sprung durch die Zeit gemacht, das ist der Grund, erklärte Talith und gähnte.
»Einen Sprung durch die Zeit?«, wunderte Lorana sich laut.
»Pssst!«, zischte Jâtrel und hob warnend die Hand. Er kniff leicht die Augen zusammen und schien sich seine nächsten Worte gut zu überlegen. »Warum hast du das gesagt?«, verlangte er dann zu wissen.
»Talith hat es mir erzählt«, erwiderte Lorana.
Jâtrel stieà einen Seufzer aus. »Es ging nicht anders. Wir mussten hier sein, bevor die Windreiter absegelt«, erläuterte er.
Mit verständnisloser Miene sah Lorana ihn an. Jâtrel rückte näher und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Drachen vermögen durch das Dazwischen nicht nur von einem Ort zum anderen zu reisen, sondern sie können auch durch die Zeit springen. Als wir ins Dazwischen eintraten, reisten wir rückwärts durch die Zeit, damit du dein Schiff nicht verpasst.«
»Das ist wirklich verblüffend!«
»Aber es hat auch seinen Preis«, fügte Jâtrel hinzu und massierte sich erschöpft den Nacken. »Es zehrt gewaltig an den Kräften von Drachen und Reitern â wobei die Passagiere auch nicht ungeschoren davonkommen.«
Vor Staunen verschlug es Lorana glatt die Sprache. Auf diese Enthüllung wusste sie nichts zu erwidern.
»Just in diesem Moment befindest du dich auf dem Gebiet der Meeresburg Ista und gleichzeitig am Strand von Igen«, setzte Jâtrel noch eins drauf. »Wie fühlst du dich?«
Lorana dachte darüber nach. »Wie ausgelaugt«, entgegnete sie nach einer Weile. »Aber ich nahm an, das käme von all der Aufregung.«
»Das trägt natürlich auch dazu bei, und obendrein fordert der Zeitsprung seinen Tribut«, erwiderte Jâtrel. »Mache Leute fühlen sich gestresst und reizbar nach einer Zeitreise. Die Symptome treten umso stärker auf, je gröÃer der Zeitunterschied ist, der überbrückt wird, je länger ein Mensch an zwei Orten zugleich ist.«
»Dann springen Drachen wohl nicht sehr oft durch die Zeit«, mutmaÃte Lorana.
»Drachenreitern ist es streng verboten, Zeitsprünge durchzuführen«, gab Jâtrel zu. Er drohte ihr mit dem Finger. »Das bleibt unser Geheimnis.«
Lorana nickte, aber auf ihrem Gesicht lag ein gequälter Ausdruck. Jâtrel kannte diesen Blick, er hatte ihn bei anderen Menschen gesehen und selbst so ausgeschaut, als er zum ersten Mal von der auÃergewöhnlichen Gabe der Drachen erfuhr. Geduldig wartete er auf die Frage, die Lorana mit Sicherheit stellen würde.
»Jâtrel«, begann das Mädchen versonnen, wobei sich ein vager Anflug von Hoffnung in ihre Züge schlich. »Könnten wir in die Zeit zurückgehen, als mein Vater durch einen Unfall mit einem Tier ums Leben kam und ihn warnen?«
Jâtrel schüttelte traurig den Kopf. »Wenn das möglich wäre, hätten wir es längst getan.«
Verdutzt hob Lorana die
Weitere Kostenlose Bücher