Drachenblut
wurde vom im gleichen Käfig untergebrachten Kreuzschnabel gepfiffen, der auch noch von einem Notenblatt ablesen musste, um die Aufgabe zu bewältigen.«
»Aber lassen Sie mich wieder zu unseren beiden Spielern zurückkehren, die sich noch immer an einem Tisch gegenüber sitzen und die Partie ausschließlich in Gedanken austragen. Wenn wir jetzt die beiden Schachspieler räumlich voneinander trennen, indem wir quer über den Tisch eine Wand zwischen ihnen ziehen, dann ist es möglich, einen der Spieler durch einen Schachcomputer zu ersetzten. Der Spieler würde niemals bemerken, dass er nicht mehr gegen einen Menschen, sondern gegen eine Maschine spielt. Und schließlich, dies ist ein entscheidender Zeitpunkt, ersetzen wir auch noch den anderen Spieler durch einen Computer. Übrig bleiben zwei über Kabel verbundene Elektronengehirne.«
Dem Leiter der Akademie war alles ein bisschen zu schnell gegangen. »Wo sind sie denn hin, die beiden Schachspieler?«
Arthur war irritiert. »Die sind nach Hause gegangen, was weiß ich. Auf jeden Fall wäre es nun ein Leichtes, das Computerprogramm bloßzulegen, nach dem das Spiel gesteuert wird. Es wäre, als würden wir die Gedanken der Spieler sezieren, mit dem Finger auf die endlosen digitalen Zahlenreihen zeigen und feststellen: Seht her, das ist die Formel, die für das Wesen des Schachspieles steht.«
Arthur zeigte mit beiden Händen auf sein Bild, um seine Worte angemessen zu unterstützen. »Sie sehen also, das gedankliche Schachspiel lässt sich auf eine mathematische Formel reduzieren, die ich hier künstlerisch aufgearbeitet habe.«
Dem Leiter der Akademie war es nicht gelungen, Arthurs Argumentation in allen Einzelheiten zu folgen. Er war sich aber schnell darüber klar geworden, dass er Arthur niemals recht geben wollte, schon aus Prinzip nicht. »Mit der Problematik des künstlichen Bewusstseins haben sich doch schon Wissenschaftler von ganz anderem Kaliber beschäftigt. Diese theoretischen Spielchen sind vielleicht recht unterhaltsam, jedoch ist ihre Aussagekraft doch wohl von eher geringerem Wert.«
»Sie verkennen hier mein Anliegen«, konterte Arthur. »Der Zweck meines Kunstwerkes besteht keinesfalls darin, Bewusstsein in einer Maschine nachzuweisen. Mit dieser Frage haben sich in der Tat schon andere befasst. Wichtig ist doch nur, dass sich der gesamte Spielverlauf auf eine mathematische Formel komprimieren lässt, in der die Gedanken der Spieler und jene strategischen Überlegungen und taktischen Entscheidungen beinhaltet sind, die das Spiel letztlich in seinem Verlauf geprägt haben. Wen interessiert es da noch, ob einer oder beide der Schachspieler eine Maschine ist, nicht wahr?«
Dieser Diskussion über die Herkunft eines Computers ging der Leiter der Akademie, inzwischen vorsichtig geworden, aus dem Weg. Stattdessen verhakte er beide Daumen in seinem Hosenbund, streckte dazu noch seinen Bauch hervor und wippte auf den Zehenspitzen auf und ab. »Die Gleichung, die Sie hier bildlich dargestellt haben, ist allerdings sehr offensichtlich falsch«, stellte er mit dem Ausdruck der Befriedigung fest, »sie ergibt nämlich ganz einfach keinen Sinn!«
Arthur trat einen Schritt zurück und sah den Leiter der Akademie entsetzt von Kopf bis Fuß an. »Aber nein, wo bleibt denn ihr Urteilsvermögen, haben Sie denn gar nichts begriffen? Es ist doch nur ein Spiel!«
»So, so, nur ein Spiel? Ihnen ist doch wohl bekannt, was man mit einem Schachspiel nach Beendigung der Partie macht?«
»Ja nun, man könnte dem Verlierer die Gelegenheit zur Revanche geben, nicht wahr?«
»Nicht ganz das, an was ich gedacht habe, aber auch nicht falsch, Mon Ami. Ich dachte eher dran das Spiel einfach wegzuräumen.« Der Leiter der Kunstakademie griff nach den beiden Spielern, nahm sie von der Wand und stellte sie kurzerhand hinter den nächsten Heizkörper, wo sie kaum Gefahr liefen, von den Besuchern der Ausstellung bemerkt zu werden. »So, hier haben sie es wenigstens immer warm, ihre Spieler.«
Arthur konnte nicht umhin, in den Worten des Leiters einen gewissen Zynismus zu erkennen. Da er im Übrigen über die Aktion doch sehr verwundert war, erbat er sich eine Erklärung. »Aber was machen Sie denn da? Wie können Sie es wagen, mein Kunstwerk zu beseitigen?«
»Ganz einfach, Monsieur, das ist meine Idee von der spontanen Reduktion eines Exponates auf dessen negative Präsenz innerhalb
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