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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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wie Finn uns oft in Erinnerung rief. Und dennoch hörte ich aus den Schreien und dem rauen Gelächter von draußen, was wir hier angerichtet hatten. Eine tote Frau auf der Flanke eines toten Ochsen zu bumsen war noch das Wenigste. Ich sprach es aus, und wir funkelten uns böse an.
    »Fürchte die Rache derer, denen du Schaden zugefügt hast«, sagte der rote Njal düster, und ich bedachte ihn mit einem langen, ernsten Blick, denn in dem Fall hätte gerade er einiges zu fürchten. Ich hatte nämlich den Verdacht, dass die Kinder, deren Blut er an den Händen hatte, Klerkons eigene waren.
    Unter meinem Blick erstarrte er einen Moment, dann zuckte er die Schultern.
    »Die Schande, die man nicht aufheben kann, lässt man am besten liegen, wie meine Großmutter immer zu sagen pflegte«, murmelte er.
    »Hatte die Frau ein Glück, dass sie nie sehen musste, wie du im Blut von Kindern nach Sachen zum Stehlen gesucht hast«, schnauzte ich ihn an, und er zuckte zurück. Das war unrecht von mir, denn die anderen hatten noch Schlimmeres getan, und keiner von uns war weiß wie Schnee.
    »Ich weiß, wo Klerkons Gold ist«, sagte der Junge. »Ich sage es euch, wenn ihr das Lager nicht niederbrennt.«
    »Wenn ich dich mit meiner heißen Klinge kitzle, wirst du es uns sowieso sagen«, knurrte Throst Silfra, doch der
Junge wandte seine verschiedenfarbigen Augen nicht von mir ab.
    »Ich hätte gedacht, du würdest dich über so ein Feuer freuen«, sagte ich und zog ihn an seinem eisernen Halsring. Er zuckte.
    »Die Sklaven, die ihr zurücklasst, würden ohne Schutz in der Kälte sterben«, erwiderte er. »Es reicht doch, wenn du ihre Vorräte mitnimmst. Sie können nicht rennen, sie haben auch keine Schuld, und einige von ihnen sind meine Freunde.«
    »Noch weitere Prinzen?«, lachte Finn höhnisch.
    Der Junge grinste. »Nein. Aber einige von ihnen waren edler als Könige. Die Freien hier sind eine andere Sache, über die habe ich mir mein eigenes Urteil gebildet.«
    War er so jung, wie er aussah? Ich hatte ihn auf neun Jahre geschätzt – aber er sprach wie jemand, der schon sehr viel erlebt hatte.
    »Also abgemacht«, sagte ich. »Zeig uns Klerkons Geheimversteck.«
    »Gib mir deine Axt«, sagte der Junge, und nach einem Moment des Zögerns gab Kvasir sie ihm. Der Junge wog sie mit seinem dünnen Arm, dann ging er zum Bettkasten und versetzte ihm einen kräftigen Hieb. Der Kasten splitterte. Er schwang sie abermals, und ein Teil des Rahmens gab nach. Eine Münze flog heraus und fiel klingend auf den Boden. Kvasir hob sie auf, sah sie an und biss darauf. »Gold, bei Odins Arsch«, verkündete er. »Nicht weniger als ein serkländischer Dinar.«
    Der Junge hackte weiter, dass die Späne flogen.
    »Komm, gib her, deine Muskeln müssen erst noch stärker werden«, sagte Runolf Hasenscharte grinsend. Der Junge gab ihm die Axt und trat zurück. Hasenscharte zerlegte das Bett mit zwei Hieben, und Kvasir, Tjorvir, Throst
und die anderen krabbelten auf dem Boden herum, um die Münzen aufzusammeln, die aus dem hohlen Bettrahmen fielen.
    Schließlich hatten sie einen Sack gefüllt, der so groß wie der Kopf des Jungen war. Alles Goldmünzen. Die meisten waren serkländische Dinare mit ihren fremdländischen Zeichen, jede davon im Werte von ungefähr – ich überschlug es schnell im Kopf – zwanzig Silber-Dirham. Ein großer Verlust für Klerkon, ein schöner Gewinn für uns.
    Der Junge stand da, ernst und aufrecht. Ich sah, dass der eiserne Ring seinen Hals aufgescheuert hatte, und Kvasir hatte es auch bemerkt.
    »Ref Steinsson hat Werkzeug«, sagte er, »damit bekommt man das Ding ab.«
    »Richtig«, sagte ich. Dann wandte ich mich dem Jungen zu. Der Anblick der verschiedenfarbigen Augen war nach wie vor gewöhnungsbedürftig. »Hast du einen Namen, oder sollen wir dich einfach Prinz nennen?«
    »Olaf«, sagte der Junge mit gerunzelter Stirn. »Aber Klerkon nannte mich Craccoben.«
    Niemand sagte etwas. Der Name hatte sich in der Halle niedergelassen wie ein Rabe auf einem Baum. Es war ein Name, den man einem klugen Menschen gab. Einem Menschen, der in Odins Runenzauber bewandert war und der, wie er, zu Füßen eines Erhängten sitzen und die geflüsterten Geheimnisse der Toten hören konnte.
    Kein Name, den man leichtfertig vergab oder sich zulegte, und ich fragte mich, was Klerkon veranlasst hatte, ihn diesem Sklavenjungen zu geben.
    Krähenbein.

Wir fuhren bei eisigem Wind die Küste entlang, bis wir die Flussmündung fanden, die wir

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